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Politik: Die Angst kommt zurück

Noch gibt es keine verlässlichen Opferzahlen – erschüttert wurden vor allem die Inseln Nias und Simeulue

Manche versuchten gar nicht zu schlafen. Sie waren viel zu aufgewühlt. Andere legten sich in Moscheen, da fühlten sie sich am sichersten. Dicht beisammen, auf endlich wieder ruhigem Boden, bei Kerzenlicht. Um kurz nach elf Uhr am Montagabend, als die Erde unter ihnen hin und her rutschte, waren sie aufgesprungen und sofort losgelaufen. Niemand brauchte eine Warnung, alle hatten nur einen Gedanken: Tsunami! Wieder ein Tsunami! Und so rannten sie, so schnell sie konnten. Weg von der Küste, bloß weg vom Meer.

Drei Monate nach der Flut, verheerenden Zerstörungen und mehr als 200000 Toten sind im Osten Indonesiens wieder Menschen gestorben, weil der Meeresboden bebte. Dieses Mal ein paar Kilometer weiter südlich als im Dezember und nicht so stark. Indonesiens Vizepräsident Jusuf Kalla spricht von „wahrscheinlich 1000 bis 2000 Toten“, sicher sei er nicht. Bislang sind 400 Leichen geborgen, auf den Inseln Nias und Simeulue, die vor der Westküste Sumatras liegen. Das Wichtigste steht schon in der Nacht fest, drei Stunden nach dem Beben: Es wird keinen Tsunami geben. Zum Glück kein neuer Tsunami.

Auf den beiden jetzt am härtesten getroffenen Inseln waren im Dezember relativ wenige Menschen gestorben. Auf Simeulue hatte es 22 Tote gegeben. Aber viele Häuser wurden damals schon zerstört, 18000 Einwohner verloren ihr Zuhause. Auf Nias starb nur ein Einwohner und der Schaden hielt sich in Grenzen. Wie es dort nun, nach dem neuen Beben aussieht, ist immer noch nicht klar.

Informationen sind rar, weil Strom- und Telefonleitungen zerstört wurden. Die Landebahn des Binaka-Flughafens ist auch beschädigt, große Flugzeuge können nicht landen. Aus Helikoptern und Sportmaschinen gefilmte Aufnahmen zeigen auf der Insel viele Gebäude, die noch in Ordnung sind. Dazwischen aber auch viele Ruinen: An einer Stelle stehen von einem Haus nur noch zwei Wände, der Rest ist zusammengefallen. Wellbleche liegen schräg auf Betonstücken, sie waren einmal das Dach eines Hauses. Zwei Kilometer weiter brennt es, dicker Qualm steigt in den Tropenhimmel.

In katastrophenfreien Zeiten ist Nias schön: Die Sandstrände der Insel sind gesäumt mit Palmen, davor brechen Wellen, die Surfer schätzen. Die besten gibt es im Sommer an der Südspitze der Insel, am Sorake-Strand. Vor dem Tsunami im Dezember kamen vor allem Australier hierher zum Surfen.

Am Dienstagabend kann noch immer niemand verlässliche Opferzahlen nennen oder einen Überblick über das Ausmaß der Zerstörung auf Nias geben. Mit zwei UN-Helikoptern wurden die ersten 20 Verletzten ausgeflogen. Die meisten von ihnen haben Knochenbrüche oder tiefe Schnittwunden, vier sollen sich in einem kritischen Zustand befinden. Selten erreichen indonesische Radiostationen über Satellitentelefone Menschen, die auf Nias wohnen: „80 Prozent der mehrgeschossigen Gebäude sind zerstört. Ich befürchte, dass viele Opfer unter den Trümmern liegen“, berichtet Agus Mendrofa, ein Beamter in Gunungsitoli, der mit gut 30000 Einwohnern größten Stadt der Insel. Auch der Priester Rodaci berichtet Schlimmes aus Gunungsitoli: „Es ist wie in einer Geisterstadt, niemand ist auf den Straßen. So weit ich sehen kann, steht kein Haus mehr.“

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