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Politik: „Die Anklage ist ein Skandal“

Rechtsanwalt Hans Ulrich Endres über das Frankfurter Verfahren

HANS ULRICH

ENDRES (59)

ist der Verteidiger des wegen Mordes zu

lebenslanger Haft

verurteilten

Magnus Gäfgen.

Foto: dpa

Die Staatsanwaltschaft wirft Daschner Nötigung vor. Sehen Sie Ihre Vorwürfe bestätigt?

Die Anklage ist schlicht falsch und für sich genommen ein Skandal. Für das, was Daschner getan hat, gibt es ein Sonderdelikt, und das ist die Aussageerpressung.

Wie erklären Sie sich die Entscheidung?

Die Staatsanwaltschaft macht sich lächerlich. Sie weiß es besser. Ich nehme an, es geht darum, Herrn Daschner die Pension zu sichern. Die ist weg, wenn er zu mehr als einem Jahr Haft verurteilt wird. Und Aussageerpressung wird im Grundtatbestand mit mindestens einem Jahr Haft bestraft. Deshalb gilt dies auch als ein Verbrechen. Eine Einstellung der Verfahrens wäre damit unmöglich – anders als bei der Nötigung.

Kann er sich auf einen Notstand berufen?

Alle Notizen, die Daschner angefertigt und zu den Akten gelegt hat, weisen darauf hin, dass er sich der Strafbarkeit seiner Tat bewusst war. Daschner hat auch als Dozent in der Polizeischule in Wiesbaden gearbeitet. Sein Spezialgebiet war dort der Paragraph 136a Strafprozessordnung. Darin heißt es ausdrücklich, dass Beschuldigte nicht misshandelt oder gequält werden dürfen. Daschner war sich sehr klar darüber, dass seine Vernehmungsmethoden verboten sind.

Daschners Anwalt will die Zulassung der Anklage vor Gericht verhindern. Wird er Erfolg haben?

Keine Chance. Die Richterin, die den Fall mit ihren Kollegen bekommt, ist eine gestandene Juristin. Sie wird sich von populistischen Forderungen nicht einschüchtern lassen.

Wenn Daschner verurteilt wird, wie hoch wird er bestraft?

Auch wenn ihn das Gericht wegen Aussageerpressung verurteilt, kann es die Tat als minder schweren Fall einordnen. Dafür ist eine Mindeststrafe von sechs Monaten vorgesehen. Es gibt also durchaus die Möglichkeit, ihm seine Pension zu erhalten und gleichwohl rechtsstaatlich einwandfrei zu bleiben. Ich habe großes Verständnis für die Situation, in der er war, aber alles andere als ein Urteil wegen Aussageerpressung wäre ein juristischer Fehler. Sonst müssen wir Folter in deutschen Polizeidirektionen für zulässig erklären – und uns damit aus der internationalen Staatengemeinschaft verabschieden.

Das Gespräch führte Jost Müller-Neuhof.

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