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Politik: Die Arbeitgeberlobby feiert Geburtstag und bekämpft das System, zu dem sie gehört (Kommentar)

Karl Marx war der Meinung, die Philosophie könne nur ein Ziel haben: sich selbst aufzulösen. Die Denker sollten dazu beitragen, die Wirklichkeit von ihren Trugbildern zu befreien, bis am Ende die Wahrheit von selbst, ohne Hilfe der Philosophie, aus der Wirklichkeit heraustritt.

Karl Marx war der Meinung, die Philosophie könne nur ein Ziel haben: sich selbst aufzulösen. Die Denker sollten dazu beitragen, die Wirklichkeit von ihren Trugbildern zu befreien, bis am Ende die Wahrheit von selbst, ohne Hilfe der Philosophie, aus der Wirklichkeit heraustritt. Ein guter Gedanke. Einer, den man möglicherweise nicht auf die Philosophie, wohl aber auf deutsche Arbeitgeberverbände an der Schwelle zum Jahr 2000 anwenden kann.

Heute wird die BDA, die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände, fünfzig Jahre alt. Eigentlich müsste ihnen das unangenehm sein. Gewiss, in den ersten Jahrzehnten der Bundesrepublik haben die Arbeitgebervertreter Großes geleistet. Sie trugen bei zur wirtschaftlichen wie zur politischen Stabilität des Landes; sie waren eine Säule des rheinischen Kapitalismus mit seiner klassenübergreifenden Sozialpartnerschaft. Davon wird in den heutigen Festreden noch viel zu hören sein. Und jetzt?

Jetzt dürfte es so einen rheinischen Dinosaurier gar nicht mehr geben. Tarifverträge sollten flexibel auf betrieblicher Ebene ausgehandelt werden, nur die Rahmengebung gehöre weiter in die große Fläche, meint BDA-Chef Dieter Hundt. Und der ist unter den Unternehmervertretern noch der mildeste. Die Internationalisierung wirtschaftlicher Prozesse macht zudem nationale Interessenverbände zum Anachronismus. Und die Zukunftsbranchen aus dem Multimedia-Bereich neigen kaum dazu, sich den alten Arbeitgeberverbänden anzuschließen. Der Sinn von BDA, von DIHT und BDI, den anderen Großverbänden der deutschen Wirtschaft, kann im Wesentlichen nur darin bestehen, die Voraussetzungen zu beseitigen, aus denen sie entstanden sind: die Regulierungen am Wirtschaftsstandort Deutschland, den Primat der großen Einheit vor der kleinen, den Vorrang der alten Industrie vor den neuen und den Dienstleistungen.

So gesehen kann der innigste Wunsch zum 50-jährigen Bestehen der BDA nur darin bestehen, dass es einen 60. Geburtstag nicht geben wird. Oder wenn, dann nur im kleinen Kreis, in Gestalt einer Internet-Party. Niklas Luhmann, der von der Gesellschaft ein etwas nüchterneres Bild hatte als der Spökenkieker Karl Marx, würde es für nicht sehr wahrscheinlich halten, dass eine Institution, gleich welcher Art, wirklich danach streben könnte, sich selbst aufzuheben. Vielmehr sah der Bielefelder Soziologe Selbsterhaltung als das heimliche Ziel aller gesellschaftlichen Systeme an. Schauen wir auf die Arbeitgeberverbände: Vordergründig wollen sie den Standort befreien vom engen Korporatismus, von Flächentarifen, von Steuern, von der Lohnfortzahlung im Krankheitsfall, vom Ladenschluss, von allem, dem sie irgendwann einmal zugestimmt hatten.

Nur merkwürdig, als die alte Bundesregierung gesetzlich die Möglichkeit eröffnete, die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall für einige Tage auszusetzen, damit das Bündnis für Arbeit sprengte und so den eigenen Niedergang einleitete - da nutzten die Arbeitgeber in den darauffolgenden Tarifverhandlungen diesen neu geschaffenen Spielraum kaum. Wenn die Arbeitgeberverbände wirklich die Modernisierung des Standortes wollten, warum stellen sie dann wieder und wieder politisch so unbegabte Männer an ihre Spitze? Dieter Hundt, Hans Peter Stihl, Hans-Olaf Henkel - wenn einer von diesen dreien eine Forderung erhebt, dann so, dass die arbeitende Bevölkerung sicherheitshalber zum Betriebsrat rennt. Schließlich ist eines kaum erklärlich: Dass diese Männer nicht in der Lage sind, am deutschen Hauptmangel etwas zu ändern - an der fehlenden Begeisterung für das Unternehmerische, für die Chance, etwas zu schaffen. Warum faszinieren die drei die Bürger nicht?

Es ist zu befürchten, dass Luhmann Recht hat und die Wirtschaftsvertreter nicht wollen, was sie sagen, sondern bleiben wollen, was sie sind. Strukturkonservativ eben.

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