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Politik: „Die Arroganz des Stärkeren“

Die Belgier ärgern sich über die Angriffe des US-Verteidigungsministers. An einen Umzug der Nato glauben sie nicht

Belgiens Medien sind empört und die Politiker verstehen die Welt nicht mehr, nachdem US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld mit der Verlegung des Nato-Hauptquartiers gedroht hat. Hintergrund des Streits ist das Kriegsverbrechergesetz, das Belgien auf amerikanischen Druck gerade erst entschärft hatte. Außenminister Louis Michel schüttelte nur verwundert den Kopf: „Wir haben das Gesetz doch erst geändert, mir schien, die Amerikaner waren damit zufrieden.“

1999 verabschiedete das belgische Parlament ein Gesetz, das es möglich macht, gravierende Völkerrechtsverstöße auch dann vor belgische Richter zu bringen, wenn sie im Ausland und von Nicht-Belgiern begangen wurden. Belgien selbst hat, unter starkem Druck vor allem aus den USA und Israel, das Gesetz inzwischen stark entschärft. So kann die Regierung Klagen gegen ausländische Staatsbürger an Justizbehörden in deren Heimatstaaten überweisen, wenn dort ein rechtsstaatliches Verfahren gewährleistet ist. Zum Leidwesen von Menschenrechtlern verliert die belgische Justiz dann die Herrschaft über das Verfahren unabhängig davon, ob die Klage im Staat des Beschuldigten auch tatsächlich verfolgt wird.

Nach wie vor haben aber Opfer von Menschenrechtsverletzungen und deren Hinterbliebene das Recht, Klagen in Brüssel einzureichen. Zuletzt taten das irakische Bürger, unterstützt von Abgeordneten der flämischen Sozialisten. Sie erstatteten Anzeige gegen den früheren US-Präsidenten George Bush, den Vater des amtierenden Präsidenten, gegen US-Außenminister Colin Powell, Vizepräsident Dick Cheney und General Norman Schwarzkopf wegen der Bombardierung ziviler Ziele im Golfkrieg 1991. Belgiens Justizministerium hat aber bereits ein Verfahren eingeleitet, um die Klage an die US-Justiz weiter zu verweisen. Das ist bereits am 20. Mai mit einer anderen Klage von Irakern geschehen, die General Tommy Franks wegen Vergehen im Irak-Krieg angezeigt haben.

Verteidigungsminister Andre Flahaut wies Rumsfeld deshalb bei einem Essen am Donnerstagabend auch gleich darauf hin, dass US-Politikern in Belgien nicht mehr droht als in jedem anderen Nato-Land auch: Klagen von Menschenrechtlern und Opfern, welche de facto nicht behandelt werden.

„Hässliche Arroganz des Stärkeren“ stecke hinter Rumsfelds Attacke, kritisierte die Zeitung „Le Soir“. Die USA seien stehts bereit, an alle Welt Rügen wegen Menschenrechtsverletzungen zu verteilen, täten aber alles, um sich selbst einer Beurteilung zu entziehen und verstießen selbst gegen Menschenrechte, zum Beispiel mit der Internierung von Verdächtigen auf Guantanamo. Rik Coolsaet, Professor für internationale Beziehungen an der Uni Gent, findet denn auch, es gehe schon lange nicht mehr um das umstrittene belgische Gesetz, sondern darum, dass „Rumsfeld keine Gelegenheit verstreichen lässt, das kleine Belgien wegen unserer Haltung im Irak zu erniedrigen.“ Ein Umzug des Nato-Hauptquartiers nach Polen, den belgische Medien schon seit geraumer Zeit befürchten, gilt aber als unrealistisch: Dagegen, so Coolsaet, habe ja jeder Mitgliedstaat ein Vetorecht, und davon werde wohl nicht nur Belgien Gebrauch machen.

Trotzdem zeigt Rumsfelds Drohung Wirkung. Flahaut deutete am Freitag an, dass Belgien den USA entgegenkommen könnte. Das Universalgesetz könne möglicherweise noch weiter verändert werden, sagte der Verteididungsminister.

Klaus Bachmann[Brüssel]

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