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Politik: Die Attacke am Tag danach

Kurz nach den vereitelten Anschlägen von London fährt ein Geländewagen in den Flughafen Glasgow

Von
  • Markus Hesselmann
  • Frank Jansen

Für die neue Innenministerin war es die dritte Krisensitzung innerhalb von 48 Stunden. „Das ist ein ernster Vorfall“, sagte Jacqui Smith am Samstagabend, als die Sicherheitskommission „Cobra“ des britischen Kabinetts erneut zusammenkam. Nach den beiden vereitelten Bombenanschlägen in London waren zwei Männer mit einem Geländewagen am Samstagnachmittag in den Flughafen Glasgow gerast und hatten den Eingangsbereich des Hauptgebäudes in Brand gesetzt. Der Flughafen wurde geschlossen. Die beiden Täter seien festgenommen worden, sagte eine Sprecherin der schottischen Sicherheitskräfte.

Die Polizei ging von einem gezielten terroristischen Anschlag aus. Augenzeugen berichteten, die Polizei habe einen Asiaten, der in dem Auto gewesen sei, nach dem Vorfall zu Boden gerungen und festgenommen. Ein zweiter Asiate, der sich ebenfalls in dem Wagen befunden habe, habe Feuer gefangen und schwere Verbrennungen erlitten. Er sei lebensgefährlich verletzt, hieß es am Abend. Ob der Vorfall nicht nur in zeitlichem, sondern auch in direktem ursächlichen Zusammenhang mit den vereitelten Anschlägen von London steht, blieb bis zum späten Abend unklar. Aus Sicherheitsgründen wurde auch der Flughafen in Liverpool geschlossen.

In London hatte die Polizei im Laufe des Freitags zwei Autobomben entschärft. Eine davon war zuvor durch die westliche Innenstadt geschleppt worden. Vom Trafalgar Square zum Hyde Park. Der Abschleppdienst, der den Falschparker in der Cockspur Street auf den Haken genommen hatte, wusste nichts von seiner höllischen Fracht. Erst als der Mercedes einige Kilometer westwärts auf einem Parkplatz in der Park Lane abgestellt war, fiel auf, dass etwas nicht stimmte. Benzingeruch drang aus dem Auto.

Wie schon bei der ersten Autobombe verhinderte der Zufall eine verheerende Explosion im Zentrum Londons. Aus dem Mercedes, der auf dem Theaterboulevard Haymarket abgestellt worden war, war Rauch gedrungen, was zufällig anwesenden Sanitätern aufgefallen war. Beide Male entschärften Sprengstoffexperten die Autobomben, die mit Gas, Benzin und Nägeln präpariert worden waren.

Eine Woche vor dem zweiten Jahrestag der Attentate vom 7. Juli 2005 entging London einem weiteren verheerenden Anschlag. Damals hatten Selbstmordattentäter 52 Menschen getötet.

Beide Londoner Autobomben waren im Theater- und Clubviertel in der Nähe der beliebten Touristenziele Piccadilly Circus und Trafalgar Square deponiert worden. Die zuerst entschärfte Bombe sollte offenbar vor dem Club „Tiger Tiger“ explodieren. Nach Informationen der „Times“ sollen der Betreiber, der eine Kette von Clubs in ganz Großbritannien unterhält, wie auch andere Nachtclubbesitzer vor Terroranschlägen mit Fahrzeugen gewarnt worden sein. Ein entsprechendes Dokument sei vor zwei Wochen von den Sicherheitskräften versandt worden. Auf einen konkret bevorstehenden Anschlag im Stile der jetzt entschärften Autobomben habe es keinerlei nachrichtendienstlichen Hinweise gegeben, erklärte dagegen die Polizei.

Deutsche Sicherheitsexperten sehen die Beinahe-Anschläge als Teil der endlos scheinenden Serie von Terrorangriffen militanter Islamisten auf westliche Staaten. Einige Details der Londoner Autobomben werden als Parallelen zu mindestens drei Anschlägen und Attentatsversuchen interpretiert. Erster Fall: Eine Gruppe Algerier wollte im Dezember 2000 auf dem Weihnachtsmarkt von Straßburg einen Sprengsatz deponieren, der wie jetzt die Bomben in London mit Nägeln gespickt sein sollte. Die Polizei konnte die in Frankfurt am Main aktiven Islamisten noch rechtzeitig festnehmen.

Fall zwei: Bei den verheerenden Anschlägen in Madrid im März 2004 wurden die in den Vorortzügen abgelegten Rucksackbomben über Handys gezündet. So sollten möglicherweise auch in London die Autobomben zur Explosion gebracht werden. Die Zündmethode ist nach Ansicht von Sicherheitsexperten ein Gradmesser für die Professionalität von Attentätern. Der Einsatz von Handys, die in den Sprengsätzen Teil des Zündmechanismus sind und über einen Anruf aktiviert werden, gilt als Indiz für zumindest begabte Bastler, wie ein Sicherheitsexperte nach Madrid formulierte.

Dritter Fall: In den vor einem Jahr in Regionalzügen in Dortmund und Koblenz entdeckten Kofferbomben steckten Gasflaschen. In London waren die beiden Pkw ebenfalls mit Gaskanistern gefüllt. Bei einer Explosion wären Feuerbälle hochgegangen. Außerdem hätten die Splitter der Gasbehälter eine grausige Streuwirkung entfaltet.

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