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Politik: Die Basis wird dem Kanzler folgen – ungern

Schröder kämpft sich durch die letzte Regionalkonferenz. Und die Partei ist die Reformdebatte genauso leid wie er

Von Markus Feldenkirchen,

Potsdam

Vielleicht ist die phasenweise wild gewordene SPD allmählich ein wenig ermüdet geworden. Vielleicht hängt dem Kanzler genau wie der Basis die Debatte über die Agenda 2010 allmählich zu Hals raus. Auf der vierten und letzten Regionalkonferenz am Mittwochabend Abend in Potsdam konnte man jedenfalls erste Ermüdungserscheinungen beobachten. Es wurde wenig geklatscht, es wurde wenig geschimpft. Es wurde den meisten ein wenig langweilig.

Vielleicht lag es auch an der Wohnzimmeratmosphäre im Dorint Hotel mit seinem flauschigen Teppich, den weinroten Samtvorhängen und den vier Fikus-Benjamini-Pflanzen im Saal, dass keine so lebhafte Debatte wie bei den ersten Konferenzen entbrannte. Vielleicht lag es auch daran, dass der Parteivorstand schon am vergangenen Montag letzte Hand an den Leitantrag für den Sonderparteitag am 1. Juni gelegt und dieser Regionalkonferenz Ost damit auch die allerletzte Relevanz genommen hatte. Sie diente allenfalls als letzter Stimmungstest einer erschöpften Partei.

„Man merkt schon an Euren begeisterten Reaktionen, welch schwierigen Reformprozess wir gemeinsam vor uns haben“, ruft Schröder in den schweigenden Saal. Dass mit der Begeisterung meint er natürlich ironisch. Denn in Potsdam erhält Schröder erst nach zehn Minuten seiner Eingangsrede den ersten Applaus. Kurz darauf stehen ein paar Jusos mit einem Protestplakat auf und pfeifen. „Ich rede erst weiter, wenn das Pfeifen aufhört“, sagt der Kanzler. Dann redet er weiter und nimmt eine Umdeutung des sozialdemokratischen Slogans „Sicherheit im Wandel“ vor: „Wer seine fünf Sinne beisammen hat, wird begreifen, dass Sicherheit nur durch Wandel erreicht werden kann“, sagt Schröder. Es klatscht wieder keiner.

Die ganze Veranstaltung wirkt ein wenig wie die Hauptversammlung der örtlichen Sparkasse. Auch dann noch, als der junge Maik Brand aus Sachsen-Anhalt dem Kanzler vorhält, seine Politik sei nicht sozialdemokratisch. Und: „Ich bin es langsam satt, ständig irgendwelche Rücktrittsdrohungen zu hören“, sagt Brand zu Schröder, der genau damit inzwischen fast stündlich droht.

Auch der Ärger darüber, dass die Partei erst so spät in die Diskussion über das Reformwerk einbezogen wurde, kommt noch einmal zur Sprache. „Die innerparteiliche Demokratie ist in einem Stadium angekommen, das nicht mehr erträglich ist“, schimpft ein junger Genosse. „Das ist einer demokratischen Partei unwürdig.“

Aber auch das kann den Kanzler nicht aufregen – sein Elan aus den ersten Konferenzen ist verflogen. Später warnt das sozialdemokratische Ost-Idol Manfred Stolpe noch: „Das Schiff Deutschland darf nicht im Sturm der Weltmeere untergehen.“ Dem können sich alle anschließen. Die eigentliche Botschaft der Basis an den Agenda-Kanzler jedoch ist die gleiche wie auf den Vorgänger-Konferenzen: Eine Mehrheit wird ihm folgen. Aber gerne folgt ihm keiner.

Markus Feldenkirchen[Potsdam]

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