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Politik: Die Bessergelaunten

Bei ihrem Dreikönigstreffen lobt sich die FDP als einzige Alternative – Selbstkritik findet nicht statt

Von Antje Sirleschtov

Für die FDP hätte das neue Jahr nicht besser beginnen können – zumindest meint das ihr Parteichef Guido Westerwelle. Dieses erste Regierungsjahr der großen Koalition von Union und SPD, in dessen Verlauf in fünf Bundesländern Landtagswahlen anstehen. Schon nach den ersten Wochen will Westerwelle die Schwäche der schwarz-roten Regierung unter CDU- Chefin Angela Merkel ausgemacht haben und glaubt, den Trend für die gesamte Legislatur zu erkennen: „Das ist die Fortsetzung sozialdemokratischer Politik“, sagt der FDP-Chef am Freitag beim traditionellen Dreikönigstreffen seiner Partei in Stuttgart.

Und er meint damit selbstverständlich eine „schlechte Politik“. Merkel sei zur Kanzlerin „roter und schwarzer Sozialdemokraten“ geworden, zur Chefin eines Kabinetts, in dem sich die Minister bereits heftige Gefechte über die politischen Rezepte liefern und das keine glaubwürdigen Ansätze zur Reformen erkennen lässt. Klar also für Westerwelle: „Die Bindungswirkung der Volksparteien schwindet.“ Eine ideale Ausgangsposition für die Liberalen. „Wir sind die einzige politische Kraft der Freiheit.“

Gegenseitiges Schulterklopfen in Stuttgart, weil man nach der Bundestagswahl dem Werben von Rot-Grün nicht nachgegeben und trotz des beachtlichen Wahlergebnisses die Oppositionsrolle angenommen hat. Ein „Beweis für die Glaubwürdigkeit der FDP“, sei das nach Ansicht des Fraktionsvorsitzenden Wolfgang Gerhardt gewesen, als Verrat an „unserem Ziel des Politikwechsels“ hätten die liberalen Wähler die Ampel-Koalition nach Meinung Westerwelles verstanden. Kein selbstkritisches Wort fällt darüber, dass die Deutschen dem Wechselangebot von Merkel und Westerwelle nicht gefolgt sind, dass sie zurückschreckten vor Stufentarifen im Steuersystem und Kopfpauschalen im Gesundheitssystem sowie der Abschaffung der Bundesagentur für Arbeit, wie sie die FDP propagiert hat. Die Liberalen sehen sich rückblickend als einzige Wahlsieger, die große Koalition als „Notbündnis der Wahlverlierer“.

In der Tat sieht es in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz, den beiden Ländern, in denen die Liberalen – einmal mit der CDU und einmal mit der SPD – regieren, wenige Wochen vor der Landtagswahl Ende März für die FDP nicht schlecht aus. In Stuttgart strebt die FDP ein zweistelliges Ergebnis an und hofft auf starken Zuspruch von Unionswählern, denn Ministerpräsident Günther Oettinger (CDU) müsse sich im Südwesten erst als erfolgreicher Nachfolger von Erwin Teufel beweisen. Klare Zielrichtung des Wahlkampfes ist, die Union als eine politische Kraft bloßzustellen, die dauerhaft lavieren muss zwischen den eigenen Landesinteressen und den Interessen der Union in der Bundesregierung. Keinen Zweifel lässt Westerwelle daran, dass er diesen Konflikt auch über Baden-Württemberg hinaus nutzen will, wenn er in ein paar Monaten von Wolfgang Gerhardt den Vorsitz der Bundestagsfraktion übernehmen und damit zum ersten Gegner der Regierung im Lager der Opposition wird. Die FDP als letzter verbliebener Stachel der freiheitlichen Bürgergesellschaft im politischen System. Das wolle man in diesem Jahr immer dann beweisen, wenn Reformgesetze der Regierung im Bundesrat zur Entscheidung anstehen. Die Erhöhung der Mehrwertsteuer durch Schwarz-Rot soll Bürger und Liberale versöhnen, hofft die FDP-Führung. Zustimmung aus den Ländern, wo sie mitregiert, erfährt die Spitze dafür nicht.

Und die Grünen? Als ob es die FDP in ihrer neuen Rolle der liberalen Alternative nicht mehr nötig hat, sich mit den Grünen auseinander zu setzen, erwähnt ihr Parteichef die Partei in Stuttgart mit keinem Wort. Angekündigt hatte er das bereits in seinen strategischen Thesen Anfang Dezember. Er wolle den Grünen nicht zu mehr Bedeutung verhelfen, indem er sich mit ihnen beschäftige. Nachdenklicher ist Wolfgang Gerhardt, der sich am Freitag unter langem Applaus aus der ersten Reihe der Redner beim Dreikönigstreffen verabschiedet. Mit Umwelt-, Energie- und auch Familienpolitik – den grünen Themen – müsse sich seine Partei beschäftigen, empfiehlt er.

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