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Politik: Die Bombardierung - ein taugliches Mittel?

BONN .Knapp drei Stunden hat der SPD-Sonderparteitag am Montag über den Kosovo-Einsatz debattiert, dann stand fest: Die Partei steht mit großer Mehrheit hinter dem Kurs der Regierung.

Von Robert Birnbaum

BONN .Knapp drei Stunden hat der SPD-Sonderparteitag am Montag über den Kosovo-Einsatz debattiert, dann stand fest: Die Partei steht mit großer Mehrheit hinter dem Kurs der Regierung.Schätzungsweise 80 bis 90 Prozent der Delegierten stimmten für den Leitantrag des Bundesvorstands, den Verteidigungsminister Rudolf Scharping federführend formuliert hatte.Änderungsanträge der Parteilinken waren vorher abgelehnt worden.Der Leitantrag gibt der Regierung freie Hand, an der bisherigen Strategie der Bombenflüge festzuhalten, bis Jugoslawiens Präsident Slobodan Milosevic einlenkt.Den Einsatz von Bodentruppen lehnt der Parteitag darin aber ab.

Diesen Kurs hatten nicht nur Kanzler Gerhard Schröder und Scharping verteidigt.Er fand auch zahlreiche Fürsprecher in der Diskussion, die der amtierende Tagungsleiter Walter Momper nach dem Reißverschlußprinzip organisiert hatte: Auf jeden Pro-Redner folgte ein Contra.Die Kritiker monierten im wesentlichen drei Punkte.Der Krieg finde, erstens auf rechtlich unhaltbarer Basis statt, die NATO verfolge zweitens die falsche Strategie und benutze untaugliche Mittel, und drittens und vor allem: Der Westen versäume es, durch einen befristeten Waffenstillstand die Möglichkeiten zur politischen Lösung des Konflikts auszuloten.

Die juristischen Bedenken zählte Vorstandsmitglied Sigrid Skarpelis-Sperk auf: Mit ihrem Angriff auf Jugoslawien habe die NATO nicht nur die UN-Charta und das NATO-Statut gebrochen und sich am Grundgesetz mindestens vorbeigemogelt, sondern auch den Zwei-plus-Vier-Vertrag zur deutschen Einheit verletzt.Darin nämlich habe sich das wiedervereinigte Deutschland verpflichtet, seine Armee nur zur Verteidigung einzusetzen und ansonsten nur aufgrund eines UN-Mandats.Auch Detlev von Larcher, Sprecher des linken "Frankfurter Kreises", warf der NATO eine "Selbstmandatierung" vor.Auf die logische Spitze trieb das Argument ausgerechnet ein Parteirechter, der frühere Hamburger Bürgermeister Henning Voscherau: Wer wie US-Präsident Bill Clinton von einer Fortentwicklung des Völkerrechts rede, verschweige dabei, daß dies auf ein "Völkerrecht der Supermacht" hinauslaufe."Es werden sich in Zukunft viele darauf berufen", warnte Voscherau.Was hier in Wahrheit geschehe, sei ein "Rückfall in die jahrhundertealte Irrlehre vom gerechten Krieg".

Das Argument des schlechten Vorbilds griff Justizministerin Hertha Däubler-Gmelin in ihrer Erwiderung auf: "Milosevic darf nicht siegen, weil sonst der Nachahmung Tür und Tor geöffnet wird." Sie mochte die juristischen Einwände nicht gelten lassen: Mit einem Eilantrag beim Bundesverfassungsgericht sei die PDS gerade erst gescheitert, und auch völkerrechtlich gebe es viel weniger Bedenken als oft dargestellt: Alle Voraussetzungen für ein Eingreifen hätten vorgelegen; gescheitert sei das Mandat des Sicherheitsrats nur am Veto Rußlands und Chinas.

Ernster auch in den Augen der Anhänger des Regierungskurses war der Einwand zu nehmen, den wiederum Voscherau auf den Punkt brachte: "Ich glaube nicht daran, daß die Bombardierung jemals ein taugliches Mittel gewesen ist oder es sein wird." Bomben träfen das Volk, nicht den Diktator.Auch die linken Kritiker warnten: Wer mit Bomben Milosevic zur Umkehr zwingen wolle, argumentierte Hermann Scheer, mache sich von Milosevic abhängig - und bringe sich selbst in Handlungszwänge, die er gar nicht wolle, sprich: in den Kampfeinsatz am Boden.Wenn ein Medikament aber nicht helfe, sondern das Fieber danach steige, müsse man die Medizin absetzen."Es muß doch möglich sein, die militärische Logik durch eine politische Logik zu ersetzen", beschwor auch Juso-Chefin Andrea Nahles.Was sei eigentlich verloren, sekundierten Skarpelis-Sperk und Larcher, wenn die NATO dem Appell des Papstes folgen und in einer 48stündigen Feuerpause ausloten würde, wie weit Milosevic bereit sei, auf Bedingungen einzugehen - und wenn diese Feuerpause genutzt würde, eine Art Rettungskorridor für die Vertriebenen im Kosovo zu schaffen.

Solche Vorschläge erklärten Verkehrsminister Franz Müntefering, Fraktionschef Peter Struck und andere Befürworter des "Weiter so" für ehrenwert, aber blauäugig: Wie anders als mit Gewalt, also Bodentruppen, fragte Struck, könnte denn ein solcher Korridor abgesichert werden? Saarlands Regierungschef Reinhard Klimmt, an sich kein Freund der Regierungslinie, warnte: Eine Feuerpause würde Milosevic als Zeichen der Schwäche mißverstehen.Parteitage, warnte Müntefering, seien keine Sandkästen."Verantwortung heißt entscheiden", fügte Struck hinzu; für Formelkompromisse sei kein Raum.Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Wolfgang Clement, auch er kein Schröder-Freund, erinnerte an Massaker in Bosnien: "Ich will mich nicht noch einmal schämen müssen." Das Schlußwort aber hatte die Tagungsregie einem Mann gegeben, der bei Rechten wie Linken, bei Idealisten wie Realpolitikern als unverdächtige Stimme durchgehen kann: Erhard Eppler."Tragisch ist eine Situation, wenn man schuldig wird, ganz gleich was man tut", sagte Eppler.Tragische Entscheidungen auszuhalten müsse die SPD lernen.Die Regierung aber handele so, daß er das Gefühl habe, "daß wir ein bißchen weniger schuldig werden als wenn wir es nicht täten".

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