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Politik: Die Brotzeit soll Schule machen

Koalitions- und Oppositionspolitiker für kostenloses Essen – wenn Eltern sich nicht kümmern

Von Michael Schmidt

Berlin - Viele Kinder, vor allem aus armen Familien, gehen ohne Frühstück in die Schule. Sie sind, wie eine Umfrage des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) jüngst zeigte, unkonzentrierter und weniger leistungsfähig. Ein Fall für die Politik? Ja und nein. Koalitions- und Oppositionspolitiker sind sich einig, dass in erster Linie die Eltern für die Ernährung und das Wohlergehen ihrer Kinder verantwortlich sind. Für Johannes Singhammer (CSU) heißt das: Vornehmste „Bildungsaufgabe der Politik“ ist es, Eltern darüber aufzuklären, wie wichtig ein gutes Frühstück für Gesundheit und Schulerfolg ihrer Kinder ist – und sie, „Stichwort finanzielle Gerechtigkeit“, in die Lage zu versetzen, ihrer Aufgabe und Verantwortung nachzukommen.

Für Helga Lopez (SPD) ist klar: „Wenn es zu Mangelerscheinungen kommt, dann ist das nicht zu akzeptieren, dann ist die Politik gefordert.“ Die Vorsitzende des Bundeselternrates, Anja Ziegon, hatte nach Bekanntwerden der DIW-Studie im Tagesspiegel „kostenlose Schulmahlzeiten für alle Kinder“ gefordert. Für die Koalitionspolitiker Singhammer und Lopez spricht grundsätzlich nichts dagegen.

Bundesfamilien- und Bildungsministerium würden wohl aktiv werden wollen. Nach der Föderalismusreform aber ist Bildung reine Ländersache. Singhammer und Lopez appellieren daher an die Länder, über die Einführung und Ausweitung von Schulmahlzeit-Angeboten nachzudenken. Stephan Breiding, Sprecher des brandenburgischen Bildungsministeriums, spielt den Ball gleich weiter. Es sei „nicht sinnvoll, ein Landesgesetz zu implementieren und Vorgaben für alle zu machen“, sagte Breiding. Ein Landesministerium könne allenfalls „anregen, auf gesunde Ernährung zu achten“, bei dem, was an Schulen verkauft wird. Im Übrigen müsse „jede Schule gemeinsam mit dem kommunalen Schulträger und Elternvertretern vor Ort gucken: Gibt es Probleme, welcher Art sind sie und was lässt sich dagegen tun?“

Die stellvertretende Vorsitzende des Bundestagsfamilienausschusses Ekin Deligöz (Grüne) sagt, wichtig sei „eine ausgewogene Ernährung: Obst, Gemüse, Milchprodukte und Getreide, nicht nur Tiefkühlkost und Schokolade“. Das sei „auch die beste Form gesundheitlicher Prävention“. Möglich und wünschenswert wäre deshalb zum Beispiel auch eine Einbindung der Krankenkassen, die Ernährungsberater in die Schule schicken könnten. Während Miriam Gruß (FDP) findet, „Schulen müssen nicht alles leisten können“, und statt kostenloser Schulmahlzeiten darauf setzt, dass „der Staat den Eltern mehr Geld lässt“ indem er zum Beispiel auf die Mehrwertsteuererhebung verzichtet, will Linkspartei-Politiker Jörn Wunderlich Länder und Kommunen in die Pflicht nehmen. Die Ursache der Misere sieht er in einer „verfehlten Sozial- und Familienpolitik“ der Regierung, die „zu Lasten derer geht, die keine Lobby haben: Kinder und Familien“. Seine Forderung: Der Regelsatz für ALG-II-Empfänger müsse hochgesetzt werden.

Am Ende geht es also immer ums liebe Geld. „Wenn ich Schulmahlzeiten anbieten will, egal ob kostenlos oder gegen einen kleinen symbolischen Betrag, stellt sich immer gleich die Frage der Finanzierung“, sagt SPD-Politikerin Lopez. Ihr Vorschlag: Im Januar werde die Koalition ohnehin über eine Bündelung und bessere Effizienz von Familienleistungen diskutieren. Warum, fragt Lopez, sollten Union und SPD dann nicht auch darüber nachdenken, ob zum Beispiel Geld, das für eine eventuelle künftige Kindergelderhöhung gebraucht würde, nicht besser direkt in die Essensversorgung in Schulen investiert werden kann. „Das käme den Kindern direkt zugute“, sagt Lopez.

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