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Politik: Die Bundeswehr braucht unseren Schutz

Die Politik darf an Investitionen für die Soldaten nicht sparen

Von Hans-Dietrich Genscher Der Deutsche Bundestag hat entschieden. Die Bundeswehr wird zum ersten Mal an einem Einsatz im Nahen Osten teilnehmen. Inhalt und Stil der Parlamentsdebatte wurden, von wenigen Ausnahmen abgesehen, der Bedeutung dieser Entscheidung gerecht. Die Tatsache, dass Abgeordnete der CDU/CSU, der SPD, der FDP und der Grünen abweichend von der Mehrheitsmeinung ihrer Fraktionen ihre Stimmen abgaben, zeigt die Ernsthaftigkeit der Abwägung des Für und Wider durch jedes einzelne Mitglied des Deutschen Bundestages. Von besonderem Gewicht war die Erklärung des Oppositionsführers Westerwelle: Auch wenn die FDP mehrheitlich gegen den Einsatz stimme, stehe sie voll hinter unseren Soldaten – bei allen ihren Einsätzen.

In der Tat, darauf kommt es jetzt an. Hier ist das ganze Parlament aufgerufen. Die Bundeswehr ist Parlamentsarmee. Alle Abgeordneten sind deshalb in der Pflicht, unseren Soldaten optimale Voraussetzungen für Ausbildung, Ausrüstung und Bewaffnung zu sichern, nur so gibt es auch optimalen Schutz. Auf diesen aber haben die Soldaten und ihre Familien allen Anspruch. Nicht nur für den Libanoneinsatz, sondern bei allen Einsätzen der Bundeswehr.

Das Letzte woran im Haushalt gespart werden darf, sind Schutz und Sicherheit unserer Soldaten. Dabei geht es nicht allein um die Kosten des zusätzlichen Einsatzes im Nahen Osten. Schon die können nicht aus dem Verteidigungshaushalt, sie müssen aus dem Gesamthaushalt gedeckt werden. Das Kernproblem aber ist der investive Bedarf unserer Streitkräfte. Hier müssen aktuelle Engpässe, wie derzeit in Afghanistan, überwunden und gleichzeitig in vorausschauender Planung die erforderlichen Beschaffungen ermöglicht werden. Dieser Bedarf ist nicht in irgendeinem Supermarkt zu decken, seine Befriedigung hat lange Vorlaufzeiten. Die Schwerpunkte der Beschaffungspolitik verlangen entsprechend dem Auftrag der Bundeswehr und der immer schwieriger werdenden Einsatzrealitäten eine neue Prioritätensetzung.

Das Parlament muss hier über Koalitions- und Oppositionsgrenzen hinweg seiner Verantwortung für die Parlamentsarmee gerecht werden und, wo erforderlich, den Verteidigungsminister unterstützen. Gleichzeitig geht es um die Stabilisierung im Libanon durch politische Anstrengungen für eine umfassende Friedensregelung. Über Dauer und Erfolg der Friedensmission der Streitkräfte entscheiden wesentlich die politischen Rahmenbedingungen. Deshalb darf die Politik die Soldaten auch in dieser Hinsicht nicht allein lassen.

Die Anstrengungen der Staatengemeinschaft müssen sich jetzt auf die politische Überwindung des für die Lage im Nahen Osten zentralen israelisch-palästinensischen Konflikts konzentrieren. Daran müssen der Libanon und Syrien beteiligt werden. Die Bemühungen von Außenminister Steinmeier verdienen breiteste Unterstützung im Bundestag. Auch die deutschen Europaabgeordneten sollten im Interesse europäischer Handlungsfähigkeit im Europäischen Parlament in diese Richtung wirken. Europäische Handlungsfähigkeit hat Bundeskanzlerin Merkel in der vergangenen Woche in Berlin zu Recht angemahnt.

Die Grundelemente für eine umfassende Friedensregelung liegen seit langem auf dem Tisch. Sie sind erstmalig vom Europäischen Rat vor mehr als 20 Jahren in Venedig formuliert worden. Europa muss jetzt handeln. Stabilität und Frieden im Nahen Osten wird es nicht geben, ohne die Anerkennung des Existenzrechts Israels durch alle Beteiligten und ohne die Verwirklichung des Selbstbestimmungsrechts des palästinensischen Volkes in einem eigenen Staat in den international seit langem anerkannten Grenzen. Das verlangt Dialog und Verhandlung mit den Repräsentanten aller Beteiligten.

Unabhängig davon, muss das Problem der iranischen Atompolitik, wie von der Bundesregierung gefordert, durch Dialog, Verhandlung und Kooperation gelöst werden. Das wird umso glaubwürdiger und dann auch erfolgreicher sein, je mehr die durch den Atomwaffensperrvertrag legitimierten Atomwaffenbesitzer ihrer Verpflichtung zu nuklearer Abrüstung nachkommen.

Der Autor war von 1974 bis 1992 Bundesaußenminister.

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