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KSK

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Die Bundeswehr in Afghanistan: Geheime Kommandosache

Geheime Aktionen, gefährliche Einsätze. Was treibt die KSK eigentlich genau in Afghanistan? Mehrere Beispiele werfen Fragen zum Einsatz der deutschen Eliteeinheit am Hindukusch auf.

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Ihre Aktionen werden strikt geheim gehalten, auch wenn sie Jahre her sind. Was die Eliteeinheit KSK treibt, gibt die Regierung der Öffentlichkeit nicht preis. Begründung: Schutz der Soldaten und deren Angehöriger. Außerdem sollen KSK-Einsätze nicht gefährdet werden. Niemand verlangt allerdings, dass Elitesoldaten „enttarnt“ oder Details über laufende beziehungsweise geplante Einsätze genannt werden. Mehrere Beispiele werfen Fragen zum Einsatz des KSK in Afghanistan auf und illustrieren, wie die Regierung mit dürren Erklärungen das Vertrauen von Abgeordneten und Öffentlichkeit gefährdet.

Beispiel eins: Im Mai 2008 fragte die Obfrau der FDP-Fraktion im Verteidigungsausschuss, Birgit Homburger, ob „ab dem 11. September 2001 bis Ende Dezember 2001“ Soldaten des KSK in Tora Bora eingesetzt waren, „und wenn ja, in welcher Funktion?“ Die im Oktober 2001 in Afghanistan einmarschierten Amerikaner hatten im bergigen Höhlensystem von Tora Bora im Osten des Landes den Al-Qaida-Chef Osama bin Laden vermutet. Im Dezember 2001 eroberten US- Truppen mit afghanischen Milizen das Areal, bin Laden war jedoch weg. An der Aktion sollen, wie in vielen Artikeln in Medien und Internet vermutet wird, Soldaten des KSK beteiligt gewesen sein. Die Antwort auf Homburgers Anfrage kam rasch – doch sie enthielt weder ein klares Ja oder Nein noch ging sie überhaupt auf das Thema Tora Bora ein. „Die Bundesregierung informiert die Vorsitzenden, die stellvertretenden Vorsitzenden sowie die Obleute des Verteidigungsausschusses und des Auswärtigen Ausschusses auf vertraulicher Basis vor der Entsendung von Spezialkräften und nach Abschluss von wichtigen Einzeloperationen während des Einsatzes, sobald und soweit dies ohne Gefährdung des Einsatzes, der Soldaten oder ihrer Angehörigen möglich ist“, schrieb der Parlamentarische Staatssekretär im Verteidigungsministerium, Thomas Kossendey. Im übernächsten Satz belehrte er die FDP-Frau, „weitergehende Informationen werden zu den Einsätzen der Spezialkräfte nicht gegeben“. Und Rudolf Scharping (SPD), damals Verteidigungsminister, sagte dem Tagesspiegel nur, er sei auch nach seiner Amtszeit „zur Geheimhaltung verpflichtet“.

Bespiel zwei: Nach Informationen des Tagesspiegels heißt es in Berichten von KSK-Offizieren für die Zeit von November 2001 bis November 2002, die Einsätze seien ohne Vorkommnisse abgeschlossen oder wegen unvorhergesehener Kontakte zur Zivilbevölkerung abgebrochen worden. Da stellt sich die Frage, warum es dennoch offenbar vermehrten Bedarf an medizinischer Betreuung gab. Denn im Zusammenhang mit der Untersuchung über angebliche Alkoholexzesse der Elitesoldaten in Afghanistan beklagen sich Kommandosoldaten darüber, dass zwar Paletten mit Bier und Schnaps geliefert wurden, aber angefordertes Material für die Einsätze, gerade Sanitätsmaterial als Ersatz für verbrauchtes, lange auf sich warten ließ.

Beispiel drei: Die Linksfraktion ist den im Umfeld der Bundeswehr immer wieder zu hörenden Behauptungen nachgegangen, beim Einsatz in Afghanistan seien KSK-Soldaten getötet worden. Im März 2008 fragte Bundestagsvizepräsidentin Petra Pau, wie viele Opfer die Elitetruppe der Bundeswehr in Afghanistan zu beklagen hat. Antwort Staatssekretär Kossendey: „Bei Einsätzen in Afghanistan wurde mit Stichtag 1. März 2008 im Jahr 2005 ein Soldat des Kommandos Spezialkräfte verletzt.“ Zu Tode kam demnach kein einziger. Dass die Angaben stimmen, hält Pau für „zumindest zweifelhaft“. Bei Recherchen des Tagesspiegels im Umfeld von Bundeswehr und Bundesregierung war mehrmals zu hören, neun KSK-Soldaten seien in Afghanistan ums Leben gekommen. Das Verteidigungsministerium schickte auf Anfrage eine Liste mit 26 Namen (plus Dienstgrad) von Bundeswehrsoldaten, die in Afghanistan gestorben sind. Welchen Einheiten sie angehörten, wo und wie der Tod eintrat, steht in der Antwort nicht. Das Ministerium verweist auf rechtliche Gründe. Auf der Homepage der Bundeswehr wird in der Chronologie der Aktivitäten in Afghanistan indes nur über 20 Tote im Rahmen des Einsatzes in der internationalen Schutztruppe Isaf berichtet – bis vor kurzem belief sich die angegebene Zahl auf der Homepage sogar nur auf 18. Wie es aus dem Ministerium heißt, seien unter den Todesfällen vier Selbstmorde. Überprüfbar ist dies nicht – auch wie sich die Differenz der Toten erklärt, wollte das Ministerium auf Anfrage nicht erläutern.

Werden Todesfälle vernebelt wie in Großbritannien? Ein Vorbild bei der Gründung des KSK war die britische Eliteeinheit SAS (Special Air Service). Auch bei ihr gibt es offiziell keine Toten – obwohl die Truppe mitten im Zweiten Weltkrieg gegründet wurde und weitere Einsätze in zahlreichen Konflikten wie den Kriegen in Irak und Afghanistan folgten. Bekannt ist: Ums Leben gekommene Soldaten werden der Einheit zugerechnet, aus der sie zur SAS versetzt wurden.

Beispiel vier: Mehrere Quellen, darunter mit Bezug auf Sanitäter, sagten dem Tagesspiegel, in der Region Faisabad, im Nordosten Afghanistans, seien am 26. April 2005 vier KSK-Teams mit je vier Mann in einen Hinterhalt geraten. Die Soldaten hätten ein Waffendepot entdeckt und seien vermutlich in eine Falle getappt. Jedenfalls hätten „feindliche Kämpfer“, mutmaßlich Taliban, die Soldaten eingekreist und massiv beschossen. In ihrer Not hätten die KSK-Soldaten US-Spezialeinheiten zu Hilfe gerufen, die die Deutschen mit Hubschraubern herausgeholt hätten. Im Einsatzführungskommando der Bundeswehr in Geltow bei Potsdam heißt es, das KSK sei im April 2005 nicht in Afghanistan gewesen. Von einem schweren Gefecht bei Faisabad sei nichts bekannt. Der CDU-Abgeordnete Willy Wimmer, ehemaliger Parlamentarischer Staatssekretär im Verteidigungsministerium, sagt dagegen: „Aus Kreisen der Bundeswehr hört man nachdrücklich, dass es bei Einsätzen des KSK in Afghanistan, wie in Faisabad, Verluste gegeben hat.“

Beispiel fünf: Im Isaf-Stützpunkt in Masar-i-Scharif, der von der Bundeswehr geführt wird, ist ein Ehrenmal für tote Soldaten errichtet. An der Mauer waren im Juli dieses Jahres nach Recherchen des Tagesspiegels Gedenktafeln mit Namen, Todestag und Dienstgrad von 21 deutschen Soldaten angebracht. Außerdem fanden sich zu diesem Zeitpunkt fünf Tafeln für ums Leben gekommene Soldaten anderer Nationen. Darunter auch eine für den Schweden Jesper L.. Nach Angaben der schwedischen Tageszeitung „Aftonbladet“ von Ende November 2005 bestätigte das Verteidigungsministerium in Stockholm, dass der 28-Jährige zur Eliteeinheit SSG gehörte und nach einem Attentat am 26. November 2005 starb. Bekannt ist, dass das KSK nicht nur mit US-Eliteeinheiten operiert, sondern auch mit Spezialverbänden weiterer Nationen – aber Tote beklagen nur die anderen? Mitarbeit: mue/S.K.

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