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Politik: Die Dame bittet zum Tanz

Merkel will mit den Ministerpräsidenten die Haushalte ordnen / Osten uneins bei Solidarpakt

Die Kanzlerin nimmt die sechzehn Herren in die Pflicht, und das heißt: Angela Merkel will mit den Ministerpräsidenten der Länder im nächsten Jahr ernsthaft damit beginnen, die Finanzen von Bund und Ländern wieder in Ordnung zu bringen. Am Mittwoch hielt sie ihre Antrittsrede im Bundesrat, im Ton verbindlich. Doch in neun Punkten machte sie den Ministerpräsidenten kühl und klar deutlich, was sie von ihnen erwartet: konstruktive Gespräche darüber, wie das Geld klüger verteilt wird und wie man die wachsenden Schulden in den Griff bekommt. Sie wolle starke Länder, sagte die Kanzlerin. Mit eigenen Entscheidungsräumen – das war Teil eins der Föderalismusreform, für deren schnelle Umsetzung Merkel warb. Aber auch mit „stabilen finanziellen Verhältnissen“. Das wird nun der Teil zwei. In allen Ländern außer Bayern und Sachsen – die Kommunen einbezogen – ist die Schuldensumme pro Einwohner mittlerweile höher als die Summe der Gesamtausgaben eines Jahres.

Es kann ein anstrengender Tanz werden. Denn für Merkel ist die Reform der Finanzverfassung und die Konsolidierung der Haushalte Kern ihrer Regierungsarbeit, und da wird sie den Ländern einiges zumuten. Von einer „gewaltigen“ Aufgabe sprach sie. Beiläufig erinnerte Merkel daran, dass die Bundesregierung dem Bundesrat bei den Kosten für Hartz IV gerade mit einigen Milliarden entgegenkam. Die Kanzlerin forderte einen „gesamtstaatlichen Pakt“, um die Neuverschuldung abzubauen und die Euro- Kriterien wieder einzuhalten. Auch die Verwendung der Steuererhöhungen gehört dazu. Kurzum: Alles hängt mit allem zusammen, daher gehört alles auf den Tisch.

Überraschend für einige Ministerpräsidenten kündigte Merkel daher an, dass auch die Kompensation der ab 2006 geringer werdenden EU-Mittel für die ostdeutschen Länder zu dem Gesamtpaket gehören soll. Also alle angehen wird. Kurt Beck, SPD-Ministerpräsident von Rheinland-Pfalz, reagierte pikiert: „Ich teile Frau Merkels Ansichten fast durchweg, aber hier bin ich anderer Meinung.“ Es sei doch nicht Sache der West-Länder, diese Ausfälle im Rahmen des Solidarpakts II mitzufinanzieren. Entsprechend äußerte sich Becks Stuttgarter Kollege Günther Oettinger: „Die West-Länder können den Wegfall von EU-Mitteln für den Osten nicht kompensieren.“ Hier wird Merkel auf harten Widerstand stoßen. Dabei war Merkel dem Westen insofern entgegengekommen, als für sie die „reine Unterscheidung Ost-West bei den Förderinstrumenten nicht zukunftsträchtig ist“.

Bei der Kompensation für die geringeren EU-Mittel geht es um eine Summe von vier Milliarden Euro von 2006 bis 2013 – also um 500 bis 600 Millionen jährlich. Bislang waren im Rahmen der Investitionsmittel im Solidarpakt II (Gesamthöhe: 51 Milliarden) etwa 17 Milliarden Euro aus Brüssel veranschlagt. Nach dem EU-Kompromiss vom Wochenende werden es noch gut 13 Milliarden sein.

Allerdings gibt es in den Ost-Ländern unterschiedliche Ansichten über die Art der Kompensation. Im Gespräch mit dem Tagesspiegel äußerten die CDU-Ministerpräsidenten Georg Milbradt (Sachsen), Dieter Althaus (Thüringen) und Wolfgang Böhmer (Sachsen-Anhalt) eigene Vorstellungen. Milbradt will auf Geld nicht verzichten. „Der Solidarpakt ist seit 2001 vereinbart, und damit auch die Gesamtsumme von 51 Milliarden Euro.“ Althaus ist dagegen zum Verzicht bereit, offenbar in einer Höhe von 200 bis 300 Millionen Euro im Jahr. Seine Bedingungen: Die Länder sollten mehr Eigenständigkeit bei Leistungsgesetzen erhalten, etwa der Jugend- und der Sozialhilfe, um „überhöhte Standards“ abbauen und dadurch sparen zu können. Zudem sollten die bislang nur pauschal zugesicherten Milliarden für jedes Jahr bis 2019 fest zugeteilt werden. Das gebe Planungssicherheit. „Mir ist Berechenbarkeit wichtiger als volle Kompensation“, sagt er. Böhmer wiederum umgeht die Frage nach Ausgleichsmöglichkeiten, hat aber genaue Vorstellungen, wie der Solidarpakt im Sinne höherer Flexibilität verändert werden könnte. „Wir sollten die Zweckbindung der Mittel für Investitionen aufheben“, sagt er. Und – auch mit Blick auf die von Merkel geforderten Anstrengungen zur Etatsanierung – fügt er hinzu: „Die Solidarpaktmittel können so indirekt zum Schuldenabbau dienen. Wenn das den Ost-Ländern und damit dem Gesamtstaat dient, wäre es in Ordnung.“

In einem sind sich alle Ministerpräsidenten einig: Die Finanzgespräche würden äußerst schwierig. Weit schwieriger als die bisherigen Föderalismusverhandlungen. Und einige meinen gar, es werde wohl eher nichts mit der Neuordnung der Bund-Länder-Finanzen. Merkel sieht sich dagegen im Bund mit den Wählern: „Ohne solide Finanzen wird das Vertrauen der Bürger in die Handlungsfähigkeit des Staates nicht zurückkehren.“

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