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Politik: Die Debatte ums Deutschsein: "Man muss nicht stolz sein, aber man darf"

Israels Botschafter in Deutschland, Schimon Stein, hat vor falschem Zungenschlag in der "Nationalstolz"-Debatte gewarnt. "Für mich ist es selbstverständlich, dass ich stolz darauf bin, Israeli zu sein", sagte Stein der "Leipziger Volkszeitung".

Von Robert Birnbaum

Israels Botschafter in Deutschland, Schimon Stein, hat vor falschem Zungenschlag in der "Nationalstolz"-Debatte gewarnt. "Für mich ist es selbstverständlich, dass ich stolz darauf bin, Israeli zu sein", sagte Stein der "Leipziger Volkszeitung". Auch die Deutschen hätten das Recht, auf die Gegenwart ihres Landes stolz zu sein. Der Satz "Ich bin stolz, ein Deutscher zu sein", sei allerdings deshalb problematisch, weil man die Jahre zwischen 1933 und 1945 nicht aus der Geschichte streichen und einfach vergessen könne.

"Die Deutschen müssen sich selbst die Frage beantworten, ob sie unbefangen mit dem Begriff des stolzen Deutschen umgehen wollen. Sie sollten aber daran denken, welches Missverständnis damit im Ausland auch erzeugt werden kann", mahnte der Botschafter. Einen "Schlussstrich" ziehen unter die Verantwortung für die eigene Vergangenheit könne niemand.

Die innerdeutsche Debatte wurde wenige Tage vor den Landtagswahlen in Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg allerdings eher noch heftiger. Der frühere CDU-Chef Wolfgang Schäuble fuhr im DeutschlandRadio Berlin schweres Geschütz gegen den Grünen-Umweltminister Jürgen Trittin auf. Trittin treibe mit seiner Ablehnung des Satzes "Ich bin stolz, ein Deutscher zu sein" vor allem junge Menschen den Rechtsextremen zu, warf Schäuble ihm vor. "Ich glaube, er (Trittin) hat eine viel größere Wirkung als diese wenigen Dummschwätzer und Schreier, die es bei den Extremen gibt", sagte Schäuble. Trittin sei umso gefährlicher, als er ein Bundesminister sei. Darum müsse der Grüne entlassen werden. Schäuble verteidigte den CDU-Generalsekretär Laurenz Meyer, der sich den umstrittenen Satz zu Eigen gemacht hatte. Patriotische Gefühle dürfe man nicht den Rechtsextremen überlassen. "Man muss nicht stolz sein, ein Deutscher zu sein, aber man darf es", fügte Schäuble hinzu.

Auch Meyer selbst meldete sich zu Wort und hielt der rot-grünen Koalition vor, eine "verklemmte" Diskussion zu führen. Trittin versuche, die gesamte CDU in eine rechte Ecke zu stellen. Es werde aber Zeit, dass die Deutschen "in aller Offenheit ein unverkrampftes und liebevolles Verhältnis zu unserem Land zeigen dürfen", forderte Meyer in der Chemnitzer "Freien Presse". Scharfe Töne kamen erneut auch von der FDP: Der designierte FDP-Chef Guido Westerwelle nannte eine Grundsatzdebatte über das Verhältnis zur Nation "überfällig". Sie sei bislang jedoch von einem "Meinungskartell der Trittins" abgewürgt worden. Junge Deutsche wollten aber kein schlechtes Gewissen eingeredet bekommen und sich "nicht nur mit gebeugtem Haupt und geducktem Gang bewegen", sagte Westerwelle. Er sei davon überzeugt: "Die Menschen wollen stolz sein auf unser Land."

Zum Thema: Hintergrund: Die Rau-Äußerung TED: Kann man auf die Zugehörigkeit zu einer Nation stolz sein? Angriffe richtete Westerwelle gegen Bundespräsident Johannes Rau. Dieser müsse "Bürgerpräsident" sein und dürfe nicht zum "Parteipräsident" werden. Seine erste, "geradezu verklemmte" Reaktion auf die Debatte habe Rau inzwischen korrigiert. Wer sich aber in die Tagespolitik einmische, müsse mit Kritik rechnen. Grünen-Bundesgeschäftsführer Reinhard Bütikofer warf der CDU "systematische Diffamierung" ihrer politischen Gegner vor. Rot-Grün wegen angeblicher nationaler Unzuverlässigkeit unter Generalverdacht zu stellen, sei eine "widerliche Strategie". "Man kann in Deutschland auf vieles stolz sein", so Bütikofer. Vor lauter Stolz dürfe man aber nicht vergessen, "dass die deutsche Schande des 20. Jahrhunderts uns Mahnung bleiben muss". Mit Spott reagierte Grünen-Chefin Claudia Roth auf die Debatte: "Ich bin stolz, Schwäbin zu sein", sagte sie.

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