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Die Deutsche Telekom und das Internet: Bremsen auf der Datenautobahn

Die Deutsche Telekom will ab 2016 die Datenmengen ihrer Neukunden einschränken. Mehr soll extra kosten. Doch darf sie das?

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Die Deutsche Telekom hat angekündigt, ab 2016 für Neukunden keine echten „Flatrates“ mehr anzubieten. Vielmehr will sie die Geschwindigkeit begrenzen, sobald ein gewisses Datenvolumen erreicht ist. Die Telekom plant, vier unterschiedlich „große“ Tarife anzubieten. Beim günstigsten Tarif würde der Verkehr schon ab 75 Gigabyte gedrosselt.

Wie entwickelt sich das Datenvolumen?

Laut Deutsche Telekom werden über einen durchschnittlichen Internetanschluss heute monatlich 15 bis 20 Gigabyte Daten heruntergeladen. Das deckt sich in etwa mit Schätzungen der Bundesnetzagentur. Deren letzte veröffentlichte Zahl bezieht sich auf das Jahr 2011, damals lag der Durchschnittswert bei 12 Gigabyte. Fest steht: Das Volumen wächst rasant. „Wir gehen davon aus, dass der Verkehr jedes Jahr um rund 50 Prozent wächst“, sagt René Pessier, Mitarbeiter am Lehrstuhl für Kommunikationswirtschaft an der TU Dresden. Er schätzt, dass bereits 2016 das durchschnittliche Volumen über dem kleinsten Tarif der Telekom liegen könnte.

Verantwortlich für das Anschwellen des Datenvolumens sind vor allem Video- und Fernsehdienste. Während Videotheken aussterben, wächst der Markt für Filmstreamingdienste im Netz schnell. Experten gehen davon aus, dass sich das Internet in den kommenden Jahren auch zum Hauptverbreitungsweg für das Fernsehen entwickeln wird. „Der TV-Empfang steht ganz im Zeichen der Digitalisierung“, schreibt die Bundesnetzagentur in ihrem Jahresbericht 2011. Bereits 2012 hatte rund die Hälfte aller verkauften Fernseher einen Internetanschluss (den allerdings bislang die wenigsten nutzen). Ein weiterer Faktor könnte das „Cloud Computing" werden, wenn immer mehr Nutzer ihre Daten auf virtuellen Festplatten im Netz speichern.

Steigt das Datenvolumen, das über die Netzautobahnen transportiert wird, weiter in diesem Maße an, wird die bestehende Infrastruktur auf die Dauer nicht ausreichen, schätzt René Pessier. Noch läuft ein Großteil des Verkehrs über Kupferleitungen. Der Anteil der besonders leistungsfähigen Glasfaserkabel, die auch ein Vielfaches des heutigen Volumens problemlos verarbeiten könnten, ist noch verschwindend gering. Sie müssten also erst verlegt werden.

Welche Motive hat die Telekom?

Der notwendige Netzausbau betrifft weiterhin vor allem die Deutsche Telekom. 2011 investierte das Unternehmen drei Milliarden Euro in den Netzausbau, genauso viel wie alle alternativen Anbieter zusammen. Über die Hälfte aller DSL-Kunden, also Inhaber schneller Anschlüsse, sind Kunden der Telekom AG. Nach Angaben der Bundesnetzagentur von 2012 wären für den flächendeckenden Ausbau eines Glasfasernetzes mit 40 Millionen Anschlüssen Investitionen von 70 bis 80 Milliarden Euro notwendig. Das, so schreibt auch die Netzagentur, erfordert, letztlich auch Preissteigerungen. Doch auch neue Märkte locken. Experten glauben, dass der Markt für sogenannte „managed services“ in Zukunft wachsen wird.

Bei Videos, Online-Computerspielen oder Internettelefonaten würde es langsamer werden.

Bislang werden Daten im Internet zumeist nach dem „Best-Effort-Prinzip“ versendet – so schnell, wie es denn eben gerade geht. Für Videodienste hat das Nachteile. Jede Datei wird beim Transport in zahlreiche Datenpakete unterteilt, die auf unterschiedlichen Wegen über die Autobahnen wandern und erst am Endpunkt wieder zusammengesetzt werden. Bei einer E-Mail ist eine leichte Verzögerung nicht schlimm, sie kann trotzdem rekonstruiert werden. Bei Videos, Online-Computerspielen oder Internettelefonaten hingegen führt das schnell dazu, dass der Nutzer Bauklötze sieht oder seinen Gesprächpartner nicht mehr versteht. Bereits heute reservieren deshalb alle Anbieter einen Teil der Leitung für datenintensive Angebote, vor allem für ihre eigenen Internet-Telefonie-Angebote (Voice over IP). Diese heißen dann „managed services“ und sind garantiert ruckelfrei. Technisch sind diese Angebote bislang nur im eigenen Netz möglich, beim Übergang in ein anderes Netz werde bislang sozusagen der „Luftpostaufkleber“ abgerissen, erklärt Marc Konarski, Experte für Breitbandtechnologie beim Branchenverband Bitkom. Das ändert sich allerdings mit dem neuen Internetprotokoll, das zurzeit eingeführt wird. Die Telekom darf also davon ausgehen, dass sie „managed services“ in Zukunft auch für Dritte anbieten kann und sich so weitere Einnahmequellen erschließt.

Wie reagiert die Konkurrenz?

Die Konkurrenz will erst einmal nicht mitziehen. Das gaben Vodafone, Unitymedia und 1&1 bekannt. „Wahrscheinlicher ist, dass die Konkurrenz den Vorstoß nutzt, um sich abzugrenzen“, schätzt auch Pessier. Auswirkungen hat der Schritt der Deutschen Telekom für sie zunächst nicht. Auf die Geschwindigkeiten der anderen Anbieter wie 1&1 oder O2 wirkt sich die Drosselung nicht aus.

Welche Hauptkritikpunkte gibt es an den Telekom-Plänen?

Was sind die Hauptkritikpunkte?

Kritiker sehen die „Netzneutralität“ gefährdet. Netzneutralität meint die Gleichbehandlung von Daten, egal woher sie kommen oder wohin sie fließen. Das betrifft zum einen die Kunden, die nicht mehr frei entscheiden können, welche Dienste sie nutzen. Zum anderen diejenigen dritten Diensteanbieter, die auf hohe Volumina auf den Datenautobahnen angewiesen sind. Für diese sei der Schritt „eine gravierende Änderung“, sagt Pessier. „Einige werden ihre Dienste nicht mehr ohne Weiteres anbieten können.“ Experten befürchten, das Limit könnte neue Ideen in der Internetwirtschaft behindern. „Dabei kommen aus diesem Bereich die meisten Innovationen“, so Pessier.

Andere Dienste wiederum warten nach Ansicht des Bitkom-Experten Marc Konarski regelrecht auf „managed services“. Die Anbieter von Online-Computerspielen etwa behelfen sich zurzeit mit teuren Serverfarmen, die die Nutzer wohnortnah zusammenführen. Sie würden gern auf reservierte Kapazitäten zurückgreifen.

Viele Kritiker des Vorhabens der Deutschen Telekom stören sich vor allem daran, dass die Telekom eigenen Diensten Vorrang in ihrem Netz verschaffen will. Mit eigenen Diensten ist das Angebot „Entertain“ gemeint. Damit kann man einerseits Fernsehen empfangen. Nur wird das Signal nicht via Kabel geschickt, sondern über das Netz (IPTV). Man kann Sendungen aufzeichnen oder zeitversetzt fernsehen. Zusätzlich bietet die Telekom dabei auch eine Online-Videothek an. Das alles ist mit erheblichen Datenmengen verbunden, die aber nicht auf das Kontingent berechnet werden sollen. Andere Dienste mit hätten diesen Vorteil nicht.

Wie reagiert die Politik?

Die Pläne der Telekom befeuern die Debatte um den Umgang mit der Netzneutralität. Die Opposition will diese gesetzlich verankern und dafür das Telekommunikationsgesetz entsprechend novellieren. Schwarz-Gelb macht sich zwar auch für die Einhaltung der Netzneutralität stark, will diese aber nicht festschreiben. Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler hat sich per Brief bereits an Telekom-Chef René Obermann gewandt und seine Besorgnis zum Ausdruck gebracht. Rösler regt an, dass sich die Fachleute seines Ministeriums und der Telekom zusammensetzen.

Jetzt prüft die Bundesnetzagentur, ob ein Verstoß gegen die Netzneutralität vorliegt.

Was geschieht nun?

Die Bundesnetzagentur prüft, ob ein Verstoß gegen die Netzneutralität vorliegt. Ein Ergebnis gebe es aber noch nicht, heißt es dort. Kommt sie zu dem Ergebnis, dass eine Verletzung vorliegt, kann sie laut Telekommunikationsgesetz (TKG) eine technische Richtlinie festlegen, die „Einzelheiten über die Mindestanforderungen an die Dienstqualität“ verfügt. Ein anderer Weg, den das TKG bietet, ist eine Rechtsverordnung mit Zustimmung von Bundestag und Bundesrat. Darin könnten der Deutschen Telekom grundsätzliche Anforderungen an eine diskriminierungsfreie Datenübermittlung vorgeschrieben werden.

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