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Stabile Ambivalenz - so stehen die Deutschen zur EU.

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Die Deutschen und die EU: Zukunft und Zerstrittenheit

Eine Umfrage zeigt: Die Deutschen haben eine eher ambivalente Haltung zur Europäischen Union und ihren Institutionen. Immerhin steigt die Zustimmung zu Europa nach dem Krisentief wieder an. 

Die Deutschen haben von Europa keinen so rechten Begriff. Ihre Haltung zur Europäischen Union und ihren Brüsseler Instanzen ist eher zwiespältig. Das ist – zugespitzt – das Ergebnis einer Umfrage des Heidelberger John-Stuart-Mill-Instituts und des Instituts für Demoskopie Allensbach. Das Vertrauen in die Europäische Union, 2011 in der Finanz- und Staatsschuldenkrise auf einem Tiefpunkt angekommen, steigt allerdings wieder. Vor zwei Jahren sagten nur noch 24 Prozent der Befragten, sie hätten großes oder sehr große Vertrauen in die EU. Nun sind es 31 Prozent. 60 Prozent (2011 sogar 68 Prozent) haben kein so großes oder gar kein Vertrauen in die Union der europäischen Staaten mit ihrer Brüsseler Zentrale. Zum Vergleich: Zu Beginn des Jahrtausends, parallel zur Euro-Einführung, hat eine relative Mehrheit von 49 Prozent Vertrauen in die EU – 40 Prozent waren damals im Lager der Skeptiker und Gegner. Ein europäisches Zusammengehörigkeitsgefühl teilt aber mit 60 Prozent die Mehrheit; 21 Prozent meinen, die Europäer gehörten letzten Endes trotz aller Schwierigkeiten zusammen.

Bürokratie, Vielfalt, Einmischung

Und womit verbinden die Deutschen Europa? In absteigender Reihe: Bürokratie, Vielfalt, Vorschriften, Freier Handel, Frieden, Freiheit, Einmischung. Diese Assoziationen kommen auf Werte zwischen 87 und 66 Prozent. Sie zeigen, wie widersprüchlich das Verhältnis zur EU ist. Das setzt sich bei anderen Begriffen fort: Jeweils 58 Prozent assoziieren die EU mit Zukunft und Zerstrittenheit. Immerhin: Nur 19 Prozent identifizieren Europa mit dem Begriff Niedergang. Das Vertrauen in das EU-Parlament (23 Prozent) und die EU-Kommission (17 Prozent) ist übrigens geringer als das in die EU pauschal.

Trotz der allgemeinen Skepsis gibt es nach den am Mittwoch  veröffentlichten Ergebnissen der Erhebung aber eine hohe Bereitschaft, sich von Brüssel aus regieren zu lassen. Für 83 Prozent sollte die EU die Kennzeichnung gentechnisch veränderter Lebensmittel regeln. Drei Viertel wünschen sich eine europäische Sicherheits- und Außenpolitik. Auch gut die Hälfte kann sich vorstellen, dass Arbeitsschutzbestimmungen und Schul- und Hochschulabschlüsse EU-weit einheitlich wären. Dass Brüssel den Zuzug von Ausländern regeln darf, wollen allerdings nur 38 Prozent.

Soll Brüssel Schulden kontrollieren? Viele stimmen zu

Drei Viertel der Befragten würden akzeptieren, dass die Schulden, die ein EU-Mitgliedstaat machen darf, europäisch geregelt werden. Doch einen Bundesstaat, in dem staatliche Souveränität geteilt ist und in dem solche Zentralvorgaben möglich wären, wollen aber nur 18 Prozent. Die große Mehrheit von 68 Prozent will die EU als Bündnis einzelner Staaten.

 "Stabile Ambivalenz"

Sind aber solche Umfragen überhaupt sinnvoll, wenn die Ergebnisse wenig eindeutig sind, wenn vermutlich ein Teil der Befragten mit dem Thema auch überfordert ist? Die Antwort der Demoskopen lautet, dass die ermittelten Werte eine „stabile Ambivalenz“ in der Einschätzung der EU abbilden. Übersetzt heißt das: Zwar besteht mehrheitlich eine positive Grundstimmung zu Europa, aber gleichzeitig – und das unabhängig von der aktuellen Krisenstimmung – gibt es ein „permanentes Misstrauen“ gegenüber der EU und ihren Institutionen. Wobei die Umfragedaten zeigen, dass Europa heute in weitaus geringerem Maß mit Zukunft und Einheit identifiziert wird als noch Mitte der 1990er Jahre.

Das Mill-Institut, das freiheitliches Denken fördern will, erfragt auch jedes Jahr, ob die Deutschen mehr der Freiheit oder mehr der Gleichheit zuneigen. 47 Prozent der Befragten plädieren im Zweifel für Freiheit, 36 Prozent für Gleichheit. Unter denen, die sich für Freiheit entscheiden, ist die Zustimmung zur EU höher als beiden Gleichheits-Anhängern. Als großes Freiheitsprojekt, resümiert Ulrike Ackermann, die Leiterin des Instituts, sähen die Deutschen Europa nicht.

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