zum Hauptinhalt

Politik: Die Ein-Frau-Opposition

Helen Suzman hat jahrzehntelang die Apartheid in Südafrika bekämpft – heute wird sie beerdigt

Die liberale Anti-Apartheidskämpferin Helen Suzman wird an diesem Sonntag beerdigt. Viel Aufmerksamkeit wird ihr dabei sicher sein. Doch schon vorher dankte Südafrika seinem „liberalen Gewissen“, indem auf Anordnung von Präsident Kgalema Motlanthe alle Flaggen 24 Stunden lang auf halbmast wehten. Am Donnerstag war sie mit 91 Jahren gestorben.

Die Zeit muss einsam gewesen sein. Sehr einsam. Noch dazu als einzige Frau unter 163 Männern. 13 Jahre lang war Helen Suzman in Südafrika ganz allein die Stimme der Opposition. Von 1961 bis 1974 saß die Tochter jüdischer Einwanderer aus Litauen als einzige Abgeordnete der liberalen Progressiven Partei im südafrikanischen Parlament – auf dem Höhepunkt der Apartheid. Sie wetterte gegen den „wirtschaftlichen und moralischen Unsinn“ der staatlich verordneten Rassentrennung. Ihre Angriffe auf die burischen Machthaber brachten den langjährigen Premier PW Botha einst derart zur Weißglut, dass er die zierliche Frau eine „kleine teuflische Katze“ schimpfte. Und als ein Minister sie bezichtigte, im Parlament permanent Fragen zu stellen, die dem Land international schweren Schaden zufügten, erwiderte sie lapidar: „Es sind nicht meine Fragen, sondern Ihre Ant wor ten, die Südafrika schwer schaden.“

Sie selbst hätte sich wohl am meisten darüber gewundert, aber auch gefreut, dass die größten Lobpreisungen nach ihrem Tod ausgerechnet von ihren früheren politischen Rivalen kamen. Der ehemalige Außenminister Roelof „Pik“ Botha, der sich mit Suzman denkwürdige Redeschlachten im Parlament lieferte, nannte sie eine außergewöhnliche Frau, die als „Heldin“ in die Geschichte eingehen werde. „Südafrika schuldet Helen Suzman nicht nur Respekt, sondern auch Dankbarkeit dafür, dass sie das Land mit solcher Beharrlicheit von einem blutigen Rassenkonflikt weggeführt hat“, sagte Botha. Auch Frederik Willem de Klerk, der letzte weiße Präsident Südafrikas, nannte sie eine „zutiefst prinzipienfeste Frau“, die selbst ihren schärfsten Rivalen immer wieder die Hand reichte. Kapstadts Erzbischof Desmond Tutu sagte, Suzmans Tod hinterlasse eine tiefe Lücke. „Ihre Präsenz zeigte vielen schwarzen Menschen, dass nicht alle Weißen gleich waren. Schon dafür sollte ihr Name in Gold gemeißelt werden“, findet Tutu.

In den letzten Jahren war Helen Suzman die offizielle Anerkennung für ihren langen Kampf gegen die Apartheid vorenthalten worden. Sie selbst hatte verschiedentlich ihr Bedauern darüber geäußert, dass der Beitrag der liberalen Kräfte am Kap in der offiziellen Geschichtsschreibung fast völlig totgeschwiegen werde. Dabei war es Suzman, die als erste Abgeordnete schon in den späten Sechzigerjahren den Freiheitskämpfer Nelson Mandela in seiner Gefängniszelle auf Robben Island besucht und sich danach jahrzehntelang unermüdlich für dessen Freilassung eingesetzt hatte. Als Mandela, damals bereits erster schwarzer Präsident des Landes, 1996 die neue südafrikanische Verfassung unterzeichnete, bestand er darauf, Suzman als Verfechterin der in dem Dokument festgehaltenen liberalen Werte an seiner Seite zu haben.

Suzman saß insgesamt 36 Jahre im Parlament. Erst 1989 zog sie sich mit 72 Jahren aus der aktiven Politik zurück. Ein wenig zu früh, wie sie später meinte: „Ich bedaure, nicht ein Jahr länger geblieben und 1990 die Abschaffung all der so lange bekämpften Apartheidgesetze auf der Parlamentsbank miterlebt zu haben“, schrieb sie später in ihrer Autobiografie „In no uncertain terms“. Aber auch im Ruhestand sagte sie bis zuletzt offen ihre Meinung. Bei aller Freude darüber, dass Südafrika „vierzig idiotische Jahre der Rassentrennung“ überwunden hatte, blieb sie auch den schwarzen Machthabern gegenüber kritisch. Vieles von dem, was nach 1994 am Kap geschah, fand sie enttäuschend: den Niedergang der öffentlichen Schulen und Hospitäler, die hohe Kriminalität, die verrückte Aids-Politik des vor kurzem geschassten Präsidenten Thabo Mbeki, vor allem aber dessen unverbrüchliche Unterstützung für Simbabwes Diktator Robert Mugabe. Ebenso offen beklagte sie die zunehmende Intoleranz im ANC, wo abweichende Meinungen es schwer hätten. „Ist es das, wofür wir jahrzehntelang gekämpft haben?“, fragte sie in einem ihrer letzten Interviews.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false