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Politik: Die eine und die anderen

Von Gerd Appenzeller

Eines steht fest: Langweilig wird es bei Angela Merkel am Arbeitstisch nicht. Es ist kein Kabinett der JaSager, mit dem die künftige Kanzlerin die Republik regieren will. Von korrekt bis potenziell illoyal finden sich alle Grundeinstellungen. Die wenigsten ihrer Minister konnte sie sich frei aussuchen. Innerhalb der CDU waren Länderproporze zu beachten. Jede Partei setzte, wie in Koalitionen üblich, ihre Akzente nach eigenem Ermessen. Die SPD tat das als erste und durchaus überzeugend. Die CSU, eigenständig, wenn es sich auszahlt, entsendet zwei weniger pflegeleichte Kandidaten, die nun noch stärker ihre persönlichen Kampfzonen über Bayern hinaus ausweiten können. Bei manchem dürfte die Regierungschefin kalkulieren, es sei besser, ihn künftig vor sich als im Rücken zu haben.

Auf den ersten Blick sollte Merkel mit den Sozialdemokraten noch die geringsten Probleme haben. Zwar gibt es sachliche Differenzen, die in den eigentlichen Koalitionsgesprächen erst geklärt werden müssen. Aber die meisten SPD-Minister bringen reichlich Erfahrung aus dem Regierungsgeschäft mit und sind somit vor Anfängerfehlern gefeit. Franz Müntefering ist jedes Machogehabe fremd. Er wird seine Positionen gegen eine zu weit gehende Liberalisierung des Arbeitsmarktes entschlossen, aber fair formulieren. Peer Steinbrück muss als Finanzminister noch lernen, erst still nachzudenken und dann zu attackieren – als Ministerpräsident konnte er sich mehr leisten. Aber rechnen kann er ohne Zweifel. Frank-Walter Steinmeier als Routinier der Macht sichert, über Parteigrenzen hinweg, einer Kanzlerin Merkel nach außen und nach innen den Freiraum und die Zeit, die sie braucht, sich freizuschwimmen. Der Chef des Kanzleramts in den Schröder-Jahren verkörpert da jene gediegene Solidität, für die auf der Unionsseite Wolfgang Schäuble steht. Nicht auszuschließen, dass wir in diesen beiden zwei sich im Wesen ähnliche Garanten für eine fruchtbare Regierungsarbeit finden werden.

Ob wir und was wir von Thomas de Maizière, von Franz Josef Jung, von Annette Schavan, Ursula von der Leyen, Ulla Schmidt, Brigitte Zypries, Sigmar Gabriel, Heidemarie Wieczorek-Zeul und Wolfgang Tiefensee sehen und hören werden, fällt in den Bereich der Spekulation und ist für Bestand oder Scheitern der Koalition wohl nicht von alles überragender Bedeutung. Die beiden CSU-Minister hingegen werden unter verschärfter Beobachtung stehen – innerhalb und außerhalb des Kanzleramts.

Horst Seehofer hat im Bereich der Gesundheitspolitik so ziemlich jede Gegenposition zu den Ansichten Angela Merkels vertreten. Aber auch in der eigenen Partei fragt man sich, ob künftig Renitenz ein besonderer Pluspunkt für die Berufung zum Minister sein könnte. Seehofer ist allerdings ein politischer Überzeugungstäter, der mit offenem Visier kämpft. Wofür Edmund Stoiber – außer für seinen Ruhm – eintreten will, bleibt dagegen noch im Nebulösen. Die Finanzen, eigentlich die Königsdisziplin der Unionsschwestern, waren ihm wohl zu mühsam. Aus dem Wirtschaftsministerium, für das er sich nach unziemlich langer Zeit entschloss, ließ er die Arbeitsabteilung ausgliedern – Lorbeer ist dort nicht so schnell zu holen. Stattdessen verantwortet er nun eine Industriepolitik, für die er kaum Kompetenzen hat. Wer bei Stoiber das größte Konfliktpotenzial vermutet, tippt also vermutlich nicht falsch. Vielleicht liegt das Kanzleramt bald an der Krachmacherstraße.

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