zum Hauptinhalt
Wer rückt nach dem Tod des saudischen Kronprinzen in der Thronfolge nach?

© AFP

Die Enkelgeneration wartet: Rätselraten um Thronfolge in Saudi-Arabien

Darauf war König Abdullah nicht vorbereitet: Nach dem Tod des saudischen Kronprinzen Naif muss die Machtspitze im Königreich umgebaut werden.

Der Tod des 79-jährigen saudischen Kronprinzen Naif bin Abdelasis al Saud wirft erneut ein Schlaglicht auf die fragilen Machtverhältnisse an der Spitze des ölreichen arabischen Königreiches. Naif ist der zweite hochbetagte Kronprinz, der innerhalb der letzten neun Monate gestorben ist. Erst im Oktober letzten Jahres war sein Vorgänger, Kronprinz Sultan, im Alter von 85 Jahren zu Grabe getragen worden. Der Herrscher Saudi-Arabiens, König Abdullah, ist inzwischen 88 Jahre alt und seit längerem gesundheitlich angeschlagen. Im letzten Herbst lag er wegen einer Operation am Rückgrat mehrere Wochen im Krankenhaus, seither kann der Monarch nur noch wenige Stunden am Tag arbeiten.

Der erneut fällige Umbau an der Machtspitze Saudi-Arabiens kommt zu einem Zeitpunkt, wo die Umwälzungen des Arabischen Frühlings und das Hegemoniestreben des Iran die gesamte Region weiter in Atem halten. Im Konflikt mit Teheran ist Riad auf arabischer Seite der wichtigste Gegenspieler. Bei der Bewaffnung der syrischen Rebellen gegen das Assad-Regime spielt das Land zusammen mit Katar eine Schlüsselrolle. Seit März 2011 helfen saudische Truppen dem bedrängten Königshaus von Bahrain in seinem Konflikt mit der schiitischen Mehrheit, die sich diskriminiert fühlt. Pläne Saudi-Arabiens, sich Bahrain als Provinz einzuverleiben, stießen kürzlich jedoch bei den übrigen Mitgliedsstaaten des Golf-Kooperationsrates auf Ablehnung.

Im Inneren hat das Königreich Proteste der Bevölkerung bisher durch eine Mischung aus massiver Polizeipräsenz und milliardenschweren Sozialgeschenken abwenden können. Doch die Diskussionen über Reformen und mehr Rechte für die Bevölkerung, vor allem für Frauen und die schiitische Minderheit im Osten, werden in den sozialen Medien Twitter und Facebook immer intensiver geführt. Gemessen daran fielen die jüngsten königlichen Reformdekrete eher zögerlich und halbherzig aus. So gestand König Abdullah im vergangenen September den Frauen des Landes für die nächsten Kommunalwahlen 2015 das aktive und passive Wahlrecht zu und kündigte an, er werde für die kommende Sitzungsperiode des Shura-Rates von 2013 an zum ersten Mal auch Frauen ernennen. Dieses Gremium hat eine beratende Funktion. Es besteht aus 150 Mitgliedern, die alle vom Herrscher ernannt werden.

In Saudi-Arabien wird die Thronfolge nicht auf den jeweils ältesten Königssohn vererbt, sondern geht zunächst nach Alter gestaffelt auf alle Brüder des Herrschers über. Als der Gründer des modernen Saudi-Arabiens, König Abdul Aziz Ibn Saud, im Jahr 1953 starb, hinterließ er 34 Söhne, die von 17 seiner 22 Frauen zur Welt gebracht worden waren. Nach dem Tod von Kronprinz Naif ist vom Alter her nun sein jüngerer Bruder, der 76-jährige Prinz Salman, an der Reihe. Salman jedoch erlitt 2010 einen Schlaganfall, der seinen linken Arm lähmt, und musste sich einer schweren Bandscheibenoperation unterziehen. Er ist seit kurzem Verteidigungsminister, war zuvor 40 Jahre lang Gouverneur der Hauptstadt Riad und unterstützt die moderate Reformlinie von König Abdullah. Der verstorbene Kronprinz Naif, der am Sonntag in Mekka beerdigt wurde, galt dagegen als Hardliner. Als langjähriger Innenminister Saudi-Arabiens war er die wichtigste Figur im Kampf gegen die Terrororganisation Al Qaida nach dem Attentat vom 11. September 2001.

Um für die Zukunft den politisch sehr heiklen Übergang des Thrones in die dritte Generation zu regeln, etablierte König Abdullah 2006 den sogenannten Gefolgschaftsrat, der jedoch bisher noch nie tätig wurde. In ihm ist jeder der 34 königlichen Familienstämme mit einem Prinzen vertreten, entweder einem noch verbliebenen Sohn des Staatsgründers oder einem vom jeweiligen Familienzweig ernannten Enkel. Dieses Gremium hat das Recht, nach dem Tod von König Abdullah den nächsten König und Kronprinzen zu wählen. Das Votum muss einstimmig sein. Nicht geregelt durch das königliche Dekret ist jedoch der jetzt eingetretene Fall, wenn der Kronprinz vor König Abdullah stirbt. Insofern ist unklar, ob der Gefolgschaftsrat nun erstmals einberufen wird und einen neuen Kronprinz aus der Enkelgeneration wählt. Denkbar ist auch, dass der ebenfalls kranke Prinz Salman automatisch nachrückt oder dass König Abdullah einen anderen aus dem Kreis seiner wenigen noch lebenden Halbbrüder bestimmt.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false