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Politik: Die Erfindung Bayerns

Die CSU feiert sechzigsten Geburtstag. Aber die Stimmung ist alles andere als festlich

Am heutigen Samstag feiert die CSU ihr sechzigjähriges Bestehen als Partei. Doch das Fest kommt zur Unzeit, schließlich hat die CSU Bayern schon mal fester in der Hand gehabt als heuer.

Damals, im Dezember 1945, klang die Idee einleuchtend: Katholiken und Protestanten, Altbayern, Schwaben und Franken sollten in einer christlichen Partei ihren Platz finde. Darüber waren sich der Gewerkschafter Adam Stegerwald und Josef Müller, welcher, obwohl promovierter Jurist, von seinen Spezln nur der „Ochsensepp“ geheißen wurde, nach dem Krieg schnell einig. Trotzdem war die Geburt der CSU, aller späteren Weihrauchschwenkerei zum Trotz, eine schwere; denn schon bald formierten sich die Flügel in der CSU. Auf der einen Seite standen die eher Liberalen um den späteren Landtagspräsidenten Michael Horlacher, auf der anderen Seite der eher reaktionär verhockte Bauernflügel und die Klerikalen. Von Horlacher stammt im Übrigen das später immer Franz Josef Strauß zugeschriebene Wort, man müsse „unter Umständen die Grundsätze so hoch hängen, dass man bei entscheidenden Momenten unten durchkommt“. Es ging, um es vorsichtig auszudrücken, von Anfang an einigermaßen intrigant zu in der CSU – was ihren Aufstieg zur bayerischen Volkspartei nicht aufgehalten hat. Vom Intermezzo einer SPD-Regierung in den Jahren 1954 bis 1957 abgesehen, regiert die CSU seit nunmehr sechzig Jahren meist mit absoluter Mehrheit.

Darauf und weniger auf die Querelen, wird allen voran Edmund Stoiber wohl zu sprechen kommen, wenn er sich am Samstagabend auf dem Münchner Nockherberg anschickt, das Jubiläum vor fünfhundert geladenen Gästen zu feiern.

In Bayern gehen die Uhren immer noch anders, wie schon Willy Brandt völlig zu Recht fand. Aber ihr Tempo nähert sich dem im Rest der Republik an. Edmund Stoiber hat das zuletzt schmerzlich zu spüren bekommen. Zum ersten Mal in der Parteigeschichte regte sich der Unmut über ihn derart grobianisch, dass der Stuhl des Ministerpräsidenten ins Wackeln geriet. Nun steht er wieder einigermaßen, aber an den bis zur Bürgermeisterebene reichenden Austritten mag man ablesen, dass es nicht mehr so zugeht wie noch zu Strauß’ Zeiten. Der prägte die Partei ab 1961 so stark, dass selbst das letzte CSU-Mitglied (insgesamt sind es heute etwa 170 000) überzeugt war, nicht der Herrgott, sondern die CSU habe Bayern recht eigentlich erfunden. Freilich hat die CSU sich – in engen programmatischen Grenzen – immer dann ein wenig renoviert, wenn die absolute Mehrheit im Land in Gefahr war.

Das letzte Überschminken der „alten Tante“ hat der Maskenbildner Stoiber im Übrigen selber angestrengt, als er bei seinem Amtsantritt als Ministerpräsident 1993 alte Amigos energisch aufs Abstellgleis schob. Dieses Schicksal könnte ihm nun selber drohen. Zwar ist Stoibers Skandalfähigkeit gering, aber sein überraschender Rückzieher vom Ministeramt in Berlin hat in der nicht mehr ganz so autoritätshörigen Partei für Unmut gesorgt. Unterdessen versucht Landtagspräsident Alois Glück, eine Diskussion in Gang zu bringen, was „S“ und „ C“ im Parteinamen bedeuten. Edmund Stoiber wird nicht darum herumkommen, mit seiner Partei demnächst auch Inhaltliches zu besprechen. Die bayerische Opposition sollte gleichwohl nicht der trügerischen Hoffnung verfallen, sie könne beim nächsten Anlass große Hoffnungen machen, die CSU zu beerben.

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