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Schemenhaft. Wer da kommt, und was die von der deutschen Gesellschaft halten? Das fragt sich mancher. Für mehr Klarheit wil die CDU mit neuen Vorschriften sorgen.

© dpa

Die Flüchtlingskrise und die Pläne der CDU: Denkverbote führen nicht zu Integration

Entweder Israel akzeptieren und die Gleichberechtigung der Frauen - oder weniger Geld? Das geht so nicht. Meinungsfreiheit gilt auch für Flüchtlinge. Ein Kommentar

Wenn sie bloß nicht so anders wären! Warum können die zu uns kommenden Flüchtlinge nicht Schweden sein, Amerikaner oder wenigstens Polen? Wie viel weniger beängstigend wäre dann alles!

Ist es ein Hörfehler, oder klingt das mit, wenn aus der CDU nun ein Gesetz zur Integrationspflicht vorgeschlagen wird, das die Auszahlung von Sozialleistungen an ausgewählte Ansichten und Überzeugungen knüpft, die man gesondert glaubt schützen zu müssen?

Den Staat Israel zu akzeptieren wie auch das Verbot der Diskriminierung von Homosexuellen oder Andersgläubigen und die Anerkennung der Gleichberechtigung von Mann und Frau stehen offenbar auf der Liste, in die Flüchtlinge einwilligen sollen. Zuwiderhandlungen könnten – wie bei arbeitsunwilligen Hartz-IV-Empfängern – finanzielle Folgen haben und sich auf den Aufenthaltsstatus auswirken.

Die Idee klingt nach Gesinnungsschulung

Die Idee kommt von Julia Klöckner, CDU-Oppositionsführerin im Mainzer Landtag, der im September in Idar-Oberstein ein Imam die Hand zur Begrüßung nicht gab. Das kann einen aus guten Gründen ärgern. Mehr aber nicht. Ein Gesetz, das zum Händeschütteln verpflichtet, wird es in diesem Land hoffentlich noch sehr lange nicht geben. Das wollen sicher auch Julia Klöckner und die CDU nicht. Aber ihre Integrationspflichtgesetzidee klingt nach einem Gesinnungsprogramm und geht damit in eine fatale Richtung.

Man kann das Handeln von Menschen Regeln unterwerfen. In Deutschland stehen die im Strafgesetz. Wer dagegen verstößt, bekommt es mit Polizei und Justiz zu tun. So weit – und Schluss. Was jemand denkt, wie einer politische Situationen beurteilt, was einer von Homosexuellen, Frauen und Andersgläubigen hält, ist seine durch Grundgesetzartikel 5 geschützte freie Meinung. Das soll so auch bleiben. Man kann die liberale Gesellschaft nicht verteidigen, indem man die Liberalität beschneidet. Dann ist sie nämlich hin.

Das praktische Problem: Wer soll die Meinungen kontrollieren?

Eine Beschränkung der Meinungsfreiheit lässt sich nicht auf Einzelne zuschneiden. Entweder beschränkt man keinen – oder alle. Julia Klöckner könnte das wissen. Denn dass alle Menschen vor dem Gesetz gleich sind, steht in Satz 1 von Artikel 3 Grundgesetz, dessen Sätze 2 und 3 (Gleichberechtigung von Mann und Frau und Diskriminierungsverbot von Andersliebenden, -glaubenden oder -aussehenden) die sie mit ihrem neuen Gesetz den Flüchtlingen nahebringen will.

Der Gleichheitsgrundsatz gehört zu den Fundamenten dieser Gesellschaft. Man sollte ihn nicht ohne Not zur Disposition stellen. Und Not ist es nicht – allen Irritationen zum Trotz, die die täglich wachsende Zahl von Einwanderern aus wenig fortschrittlich wirkenden Ländern auslöst. Warum den Freiheits- und Gleichheitswerten dieser Gesellschaft nicht mehr Überzeugungskraft zutrauen?

Darüber hinaus lässt sich der Plan auch auf praktischer Ebene kritisieren. Bisher sind die Verwaltungen gut damit ausgelastet, Betten für Flüchtlinge zu finden und Anträge zu bearbeiten. Wo soll da noch das Integrationspflichtpapier rein?

Wer will es ausdrucken, übersetzen, abheften, wer will seine Einhaltung prüfen? Und was wird ein gerade mit seinem Duldungsdokument beglückter Flüchtling wohl sagen, wenn man ihn zu Israel, Frauen und Homosexuellen befragt – und ein „Nein“ zu deren Gleichberechtigung beinhalten würde, dass er sein Duldungsdokument, auf das er nicht unwahrscheinlicherweise drei Monate im Stehen gewartet hat, wieder los- wird? Er wird „Ja“ sagen, selbst wenn ihm nichts lieber wäre als die Abschaffung Israels. Und nun?

Die Vereinbarung spricht dem Flüchtling das Misstrauen aus

Gewonnen ist gar nichts. Außer mehr Bürokratie und Papierkram. Und im schlechteren Fall hat man den gerade aufgenommenen Menschen als Erstes schriftlich das Misstrauen erklärt. Ob man so Integration fördert? Das darf bezweifelt werden. Man könnte heute schlauer sein. Die Bundesrepublik hatte die Gastarbeiterzuwanderung falsch gemanagt, mit Folgen, die bis heute zu spüren sind und die zur aktuellen, grundsätzlich skeptischen Haltung gegenüber muslimischen Einwanderern beitragen. Was damals falsch lief, war nicht, dass es kein Integrationspflichtgesetz gab. Was fehlte, waren ein realistischer Blick auf die Lage und ein freundlich angebotener Platz in der Gesellschaft für die Neuen.

Dass das heute anders ist, verdankt sich vor allem dem Einsatz ehrenamtlich engagierter Bürger. Ob auch die Politik gelernt hat, muss sich erweisen. Wenn die jetzt versucht, mögliche Kulturkonflikte mit der strafbewehrten Integrationspflicht aus dem Weg zu räumen, macht das nicht viel Mut.

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