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Politik: Die Folgen des Erfolgs

WIE GEHT’S BERLIN?

Von Lorenz Maroldt

Das arme Berlin hat schon wieder ein neues Problem: Die Stadt ist zu erfolgreich.

Vor zwei Wochen eröffneten Kölns Oberbürgermeister Schramma und Berlins Regierender Bürgermeister Wowereit einträchtig die Parade zum ChristopherStreet-Day am Rhein. Das war nett. Ein paar Tage später überzog die deutsche Hauptstadt das ganze Land mit Werbeplakaten, Motto: „Mir geht’s Berlin“. Das war seltsam. Und wieder ein paar Tage darauf erobert Berlin von den Kölnern die weltweit größte Messe für Musik und Unterhaltung, die Popkomm. Das war gar nicht gut für die Stimmung.

Aus der Eintracht der Bürgermeister beim Fest der Lesben und Schwulen wird der Vorwurf der Niedertracht bei der Städtekonkurrenz, aus „Mir geht’s Berlin“ kollektive deutsche Empörung: Wenn wir Berlin sehen, geht’s uns schlecht. Zentralistisch, gefräßig, jammerig sei die Hauptstadt, immer auf der Jagd nach dem Glück und dem Geld der anderen. Den Musikkonzern Universal aus Hamburg abgezogen, den Musiksender MTV aus München, die Kulturmillionen vom Bund obendrein. Und dann will Berlin, ganz groß vor allem als Nehmer beim Länderfinanzausgleich, ja auch noch viele Milliarden zusätzlich haben, um seine Schulden zu tilgen.

Einen grotesken Subventionswettbewerb wirft Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Steinbrück Berlin vor, ausgerechnet er, könnte man sagen. Aber Steinbrück steht nicht allein. Die Bereitschaft, Berlin mit Geld zu helfen, das später zum Schaden der Geber genutzt wird, ist nicht besonders ausgeprägt.

Der Anlass für den Ärger ist ein gerne genutztes Missverständnis. Berlin wirbt ja gar nicht mit viel Geld um Investoren, wie es zum Beispiel die pfiffigen Sachsen tun, und lebt auch nicht von Milliardensubventionen für fragwürdige Unternehmungen wie dem Steinkohlebergbau in Nordrhein-Westfalen. Berlins Anziehungskraft wächst fast von allein. Für den Umzug der Popkomm gibt es viele Gründe: den ungünstigen Termin zum Beispiel, auch die Notwendigkeit, der Messe einen neuen Impuls zu geben. Vor allem aber zählte die Nähe zu Szene und Branche.

Von viel kommt mehr, vor allem in einer Stadt, die relativ billig und spannend ist. Das gilt nicht nur für die Musik, sondern auch für die Mode, wie gerade zu sehen ist, für die Politik, die Medien, eigentlich für alles, bei dem es auf Kommunikation ankommt, aufs Sehen und gesehen werden, auf Beziehungspflege. Nervös sind die Nordrhein-Westfalen nicht wegen der Musikmesse Popkomm, sondern weil sie um die Reste der Politik in Bonn bangen, um die Medienkonzerne und Sender wie RTL und Viva.

Zur Wahrheit gehört aber auch, dass Berlin wirtschaftlich noch immer weit unten steht im Ländervergleich. Längst nicht alles gelingt; um die Buchmesse hat die Stadt nicht mal gebuhlt. Aber die ersten kleinen Erfolge sind ein Zeichen der Hoffnung – für alle. Je besser Berlin alleine klarkommt, desto weniger müssen die anderen zahlen. Lieber mal eine defizitäre Messe nach Berlin schicken als Bargeld. Dann lohnte es sich sogar für den Bund, vom Verfassungsgericht gezwungen zu werden, einen Teil der Schulden Berlins zu zahlen. Es wäre eine sinnvolle Investition in die Zukunft einer gesundenden Stadt.

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