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Politik: Die Freiheit nimmt sie sich

Merkel wirbt für ein neues CDU-Programm – jetzt muss sie die Partei-Familie noch mitnehmen

Von Robert Birnbaum

Die Diskussion beginnt mit einem Eingeständnis. „Ich glaube, es ist uns nicht gelungen, die Partei an jeder Stelle mitzunehmen“, sagt Angela Merkel. Das Eingeständnis ist um so bemerkenswerter, als es relativ offen ein zentrales Motiv benennt für die Grundsatzdebatte, die die CDU-Vorsitzende ihrer Partei verordnet hat. Angela Merkel hat lange versucht, der CDU ihre Sicht der Dinge nahe zu bringen. Am Dienstagabend in der Caligari-Halle im Filmstudio Babelsberg nimmt die Kanzlerin einen zweiten Anlauf, diesmal in umgekehrter Versuchsanordnung. Die CDU soll sich diesmal selbst davon überzeugen, dass sie auf dem richtigen Weg ist.

Merkels Einführungsrede fällt infolgedessen nachgerade philosophisch aus; ein Seminar über Grundwerte Freiheit, Solidarität und Gerechtigkeit, über das christliche Menschenbild und die früheren Programme der CDU. Es ist oft keine ganz leichte Kost für die rund 1200 Basisvertreter im Saal. Erst zum Ende wird’s konkreter. Drei Bereiche hat sich Merkel ausgesucht, wo sie Veränderungsbedarf im geltenden Programm sieht. Verantwortung in der Welt am Beispiel Kongo-Einsatz ist eines – Merkel weiß genau, wie unpopulär das Vorhaben ist. Zweitens die Zukunft der sozialen Marktwirtschaft in der Globalisierung.

Drittens aber: Familienpolitik. „Da gibt’s ja heiße Debatten“, sagt Merkel. „Ich find’ das einwandfrei.“ Ist schließlich immer schon hoch hergegangen, wenn’s in der CDU auf die Familie kommt. Man muss nur mal daran erinnern, wie Heiner Geißler den Christdemokraten das Prinzip der Wahlfreiheit für die Frau zwischen Familie und Beruf verordnet hat. „Da haben die Männer gestaunt, dass jetzt plötzlich die Frauen auch Wahlfreiheit haben sollen“, sagt Merkel. Aber das sei nicht mehr ausreichend in heutigen Zeiten, in denen die Freiheit zum Beruf für viele zur Notwendigkeit geworden sei. Weshalb sie es gut finde, neue Wege zu beschreiben – mit einem Elterngeld als Lohnersatzleistung, mit einem „Bonus“ für Väter, die sich zwei Monate lang für die Familie vom Beruf freimachen. „Wenn ich einen Bonus gebe“, betont Merkel, „bestrafe ich niemanden.“

Das ist die neue Sprachregelung in der Union: Bonus, nicht Strafe. Sie hat am Montag dazu geführt, dass erst die CDU-Spitze und dann die CSU-Führung ihren Frieden mit dem Elterngeld-Konzept gemacht haben. In der CDU-Spitze haben nur die Nordrhein-Westfalen Jürgen Rüttgers und Karl-Josef Laumann widersprochen, im Namen der Wahlfreiheit. In der CSU grummeln noch etliche gegen das „Wickel-Volontariat“, wie der CSU-Landesgruppenchef Peter Ramsauer die Väter-Komponente nennt. Aber Ramsauer hat auch betont, es gehe da um eine Randfrage, die nicht das „tolle“ Elterngeld in Frage stelle.

Im Saal Caligari ist die Meinung gespalten. Einige unterstützen Merkels „kopernikanische Wende“ in der Familienpolitik. Andere nicht. So weitreichend wie die CDU Familie definiere, schimpft ein Jüngerer, könne er genau so gut zur SPD gehen. Es ist eben noch nicht gelungen, die Partei an jeder Stelle mitzunehmen.

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