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Politik: Die Gedanken sind frei, Demokraten

Die FDP will grüne Wähler in den Städten zurückerobern – in Hamburg funktioniert das aber nicht

Von Antje Sirleschtov

Sie sind gegen angeleinte Hunde an der Binnenalster? Sie wollen nachts an der Reeperbahn rauchen? Sie haben etwas gegen Schwarz-Grün? Und Sie mögen ältere deutsche Schauspieler mit Sahnebonbon-Blick?

Dann sind Sie richtig bei der FDP – bei der FDP in Hamburg. Hier hat man jetzt zum Endspurt geblasen: Noch sieben Tage, dann wird in der Hansestadt an der Elbe eine neue Bürgerschaft gewählt. Die eigene Internetseite haben die Liberalen zu diesem Zweck schon vollgepflastert mit Politbotschaften. Wie eine Lidl-Zeitungsanzeige zum Winterschlussverkauf sieht es darauf aus. Am Montag wird sogar das gesamte FDP-Präsidium an die Elbe geflogen. Man will die Prominenz zeigen, die man hat. Und auch Sky Dumont ist da: der deutschlandweit bekannte Schauspieler, den die Liberalen nun schon seit ein paar Jahren im Straßenkampf einsetzen, auf dass er älteren Damen die Handrücken küsst.

Ob es etwas nützen wird, ist nicht ganz klar. Fünf Prozent sagen die Wahlforscher der FDP in Hamburg voraus, was heißt: Genaues weiß niemand.

Und wenn es funktioniert, was dann? Wird die FDP in Hamburg überhaupt regieren können? Schon vor Wochen, kurz nach der Landtagswahl in Hessen, haben sich die hanseatischen Liberalen koalitionstechnisch selbst fest eingemauert. „Kategorisch“ haben sie Dreierbündnisse – und zwar egal mit wem – ausgeschlossen. Die FDP in Hamburg will ausschließlich mit Ole von Beust von der CDU regieren. Der jedoch, das sagen die Demoskopen voraus, wird wahrscheinlich nur mit der SPD oder allenfalls mit den Grünen regieren können. Für Schwarz-Gelb reichen die Stimmen wohl nicht. Weshalb böse Zungen nun sagen, es sei sowieso egal, ob die FDP die Fünf-Prozent-Hürde schafft oder nicht.

Hinnerk Fock, der Spitzenkandidat mit dem sperrigen Namen, sieht das natürlich ganz anders. Unermüdlich ist er montags bis sonntags im Wahlkampfeinsatz, schüttelt Hände, verkündet liberale Botschaften, steht bis spät in die Nacht in stickigen Versammlungsräumen herum. Seit Wochen kämpft Fock. Gegen die Prognostiker, die der FDP lange Zeit keine Chance gaben auf einen Wiedereinzug in die Bürgerschaft. Gegen die Skeptiker in den eigenen Reihen, die meinten, Fock sei so ziemlich das Gegenteil von einem mitreißenden Spitzenkandidaten. Ja, und am Ende kämpft er auch noch ein bisschen gegen sich.

Bald wird Fock 65 Jahre alt. Aus parteitaktischen Erwägungen heraus ist er letztes Jahr aus dem Bürgermeisteramt geworfen worden, weshalb er jetzt ohne richtigen Job dasteht. Leute wie er – gut bezahlter Beamter, der gern liest, reist, ins Theater geht – nehmen in dieser Lage normalerweise ihre Pension in Anspruch und genießen das Leben. Fock grübelt einen Moment, ob er sagen sollte, dass auch er bis vor kurzem solche Vorstellungen von seiner Zukunft hatte. Man weiß ja nie, wie so etwas beim Wähler ankommt. Einer, der eigentlich in Rente gehen will, soll jetzt an der Spitze der liberalen Bewegung stehen?

Mit Hinnerk Fock, das merkt man rasch, wenn man ihn trifft, hat sich die FDP jemanden an die Spitze geholt, der eigentlich nicht so richtig in das bisherige Erfolgsrezept der Partei passt. Nicht nur wegen seines Alters und des Beamtenstatus. Er passt auch deshalb nicht, weil Fock von sich selbst sagt, er könne mit der „Verengung“ der Partei auf das Wirtschaftsliberale nicht viel anfangen, weshalb er auch seit geraumer Zeit die Veranstaltungen der FDP nicht mehr ganz so regelmäßig besucht habe.

Vielleicht ist aber gerade diese Distanz von Fock zu seiner Partei gut für den Wahlkampf in Hamburg. Schließlich ist auch schon der Berliner Parteispitze aufgefallen, dass die FDP gerade bei jungen Wählern in Großstädten nicht punkten kann. Es ist erstaunlich, denn gerade in Hamburg gibt es sie ja genug, die Familien, Gutverdiener, Menschen in der Mitte der Gesellschaft – genügend Menschen mit liberalen Lebensansichten. Gewählt wird allerdings fast durchweg Grün.

Woran das liegen mag? Die sogenannte Arbeitsgruppe „Großstadtoffensive“ der FDP-Spitze ist 2007 mehr oder weniger zu der Überzeugung gelangt, die Ansprache der Menschen vor Ort stimme nicht. Zur Verbreitung liberaler Botschaften, so die Empfehlung der Kommission unter Führung der Bundestagsabgeordneten Gisela Piltz, sollten daher in Zukunft mehr Lady’s Lunches und Grillpartys veranstaltet werden.

Fock, der fast immer erst überlegt, bevor er mit leiser Stimme spricht, bekennt freimütig, er habe „keine Ahnung“, warum Großstädter Berührungsängste mit der FDP haben. Früher, sagt er, da galt man als eine Art Rebell, wenn man sich offen zur FDP bekannt hat. Das sei heute wohl nicht mehr der Fall. Wie er seine Partei erträumt? „So etwas wie eine FDP, die das Liberale wieder stärker in den Vordergrund rückt“, sagt Fock. Mehr Fragen stellen, nach Antworten suchen, statt immer schon als Erster alles gewusst und richtig eingeordnet zu haben. Ihn, den homosexuellen Sohn eines „sehr dominanten Vaters“, wie er sagt, zog der Gedankenaustausch zu den Liberalen. Das ganze Schillernde, Laute, das Geschrei über die vermeintliche Unfähigkeit der anderen politischen Kräfte, welches vielerorts mit der FDP verknüpft wird, ist ihm daher auch ein bisschen zuwider. Er wird es mitmachen, gewiss, bis zum Wahltag kommenden Sonntag, weil es nun mal so ist in Wahlkämpfen.

Und danach? Selbstverständlich hofft Fock auf einen Einzug seiner Partei in die Bürgerschaft. Schon allein das wäre ein riesiger Schritt. Zum einen wegen der Schillpartei, mit der die Hamburger FDP einst regiert hat und die ihr den Ruf in der Bevölkerung eingebracht hat, Liberale würden ohne Ansehen der Person mit jedem regieren. „Bis heute“, sagt Fock, „hängt uns das an.“

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