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Politik: Die gelenkte Demokratie

Für Russlands Menschenrechtler werden die Spielräume noch enger

Für Russlands Menschenrechtler sind es die kleinen Siege, die zählen. Wie in der vergangenen Woche, als die Duma in erster Lesung einer Entschärfung des neuen Zivildienstgesetzes zustimmte. „Das war ein Erfolg der russischen Nichtregierungsorganisationen und der Medien“, sagte Jurij Dschibladse, Präsident des Zentrums zur Entwicklung von Demokratie und Menschenrechten, im Gespräch mit dem Tagesspiegel. Die Gesetzesänderung sieht vor, dass junge Männer ihren Zivildienst nun doch in ihrem Heimatort ableisten dürfen.

Etwas zu feiern haben die bis zu 30 000 Nichtregierungsorganisationen in Russland nur selten. Ihre Spielräume schwinden auch durch die Einschränkung der Pressefreiheit. Viele von ihnen werden zudem in ihrer Arbeit behindert oder gar mit Schließung bedroht. Das passiere mit stillschweigender Billigung Moskaus, sagt Dschibladse. „Putin ist kein Anhänger eines pluralistischen Prozesses, bei dem Entscheidungen im Diskurs und durch Kompromisse getroffen werden“, sagt der Menschenrechtler. Die vielen Militärs und Geheimdienstleute, die Putin in wichtige Ämter berufen hat, hätten einen „beängstigenden Einfluss in allen Bereichen des politischen Lebens“. In seiner „gelenkten Demokratie“ suchte Putin auch den Dialog mit den Nichtregierungsorganisationen. Vor zwei Jahren hatte er zu einem „Bürgerforum“ geladen. „Ziel war es, uns als Werkzeug der politischen Mobilisierung für Putin zu benutzen“, sagt Dschibladse heute. „Putins Administration ist mehr daran interessiert, um Unterstützung für Putin zu werben, als wirkliche Reformen durchzusetzen.“ Doch die Nichtregierungsorganisationen verweigerten sich dieser Art von Zusammenarbeit – seitdem gab es keine solchen Treffen mehr.

In der Bevölkerung wächst die Unterstützung für die Arbeit der Menschenrechtler. Bei der Änderung des Zivildienstgesetzes spielte auch der öffentliche Druck eine Rolle. In der Duma ist nach Auffassung der Menschenrechtler etwas Bemerkenswertes passiert: Obwohl sich der Beauftragte des Präsidenten vehement gegen die Gesetzesänderung ausgesprochen hatte, weil sie den Zivildienst zu attraktiv mache, stimmten die Abgeordneten trotzdem dafür. Doch die Freude über den kleinen Sieg währte nicht lange: Am folgenden Tag führte die Duma den Wehrkundeunterricht wieder ein.

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