zum Hauptinhalt

Politik: Die geplante Unternehmenssteuerreform richtet sich nicht mehr nach der Rechtsform

Die Unternehmensbesteuerung in Deutschland muss dringend reformiert werden. Das ist unter Fachleuten unstrittig.

Die Unternehmensbesteuerung in Deutschland muss dringend reformiert werden. Das ist unter Fachleuten unstrittig. Hier endet aber schon die Einigkeit der Experten. Nach Ansicht des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI) liegt Deutschland nicht nur mit den nominalen Steuersätzen, sondern auch mit der effektiven Steuerlast im internationalen Vergleich weit oben. Andere Experten meinen, dass unter Berücksichtigung der umfangreichen Möglichkeiten zur Bildung von Rückstellungen und der Vornahme von Abschreibungen die effektive Steuerbelastung in Deutschland einen Platz im Mittelfeld der vergleichbaren Industrieländer einnimmt. Da vor allem ausländische Investoren bei Investitionsentscheidungen in der Regel zunächst auf den nominalen Spitzensteuersatz schauen, ist es nach Ansicht aller Experten geboten, die Spitzensteuersätze spürbar zu senken.

Neben diesem Schritt steht die "Rechtsform-Neutralität" der Unternehmensbesteuerung zur Debatte. Es geht darum, dass Kapital- und Personengesellschaften, gewerblich tätige Einzelunternehmer und Freiberufler im Ergebnis gleich besteuert werden sollen. Damit würde eine Forderung erfüllt werden, die schon 1924 auf dem Deutschen Juristentag aufgestellt wurde. Bereits damals wurde gefordert, die Einkommen- und Körperschaftsteuer so zu gestalten, "dass die Gewerbetreibenden nicht genötigt werden, der Einkommen- oder Körperschaftsteuer wegen bestimmte Rechtsformen zu wählen oder von einer Rechtsform zur anderen überzugehen." Bis heute macht es einen steuerlichen Unterschied, ob ein Bäcker seine Schrippen in der Rechtsform einer GmbH oder einer GmbH & Co. KG herstellt. Doch künftig soll es um die Besteuerung der finanziellen Ertragskraft eines Unternehmens gehen.

Am 30. April dieses Jahres hat eine noch vom damaligen Bundesfinanzminister Lafontaine eingesetzte Reformkommission die "Brühler Empfehlungen zur Reform der Unternehmensbesteuerung" vorgelegt. Aufgabe der Kommission war, ein Konzept für eine grundlegende Reform der Unternehmensbesteuerung zu erarbeiten. Diese Reform sollte ursprünglich zum Jahre 2000 in Kraft treten, nun kommt sie vermutlich erst im Jahr 2001. Die möglichen Reformansätze könnten im Einzelnen folgendes bedeuten

Erstens. Geplant ist, einen Unternehmenssteuersatz von 25 Prozent oder höchstens 28 Prozent zu verankern. Zuzüglich der Gewerbesteuer könnte so der von der Regierung geforderte Höchststeuersatz von 35 Prozent annähernd erreicht werden.

Zweitens. Schüttet eine Kapitalgesellschaft an ihre Anteilseigner Gewinne aus, sollen diese künftig beim Anteilseigner nur zur Hälfte als Einkünfte erfasst und in dessen Einkommensbesteuerung einbezogen werden (Halbeinkünfteverfahren). Der Anteilseigner kann nicht mehr, wie bisher, die Ausschüttungsbelastung bei der Kapitalgesellschaft in Höhe von 30 Prozent bei seiner persönlichen Steuerveranlagung anrechnen lassen. Dies kann auf Dauer zu Veränderungen im Ausschüttungsverhalten von Kapitalgesellschaften führen. Soweit sie aufgrund dieses Verfahrens ihre Gewinne statt auszuschütten lieber einbehalten, erhält der Aktionär zwar eine geringere Dividende, jedoch erhöht sich dadurch möglicherweise auf längere Sicht der jeweilige Aktienwert, die Aktienkurse würden davon profitieren.

Drittens. Unternehmensgewinne sollen einer möglichst niedrigen Steuerbelastung unterworfen werden. Da nicht auch zugleich der Spitzensteuersatz für private Einkünfte ähnlich stark gesenkt werden kann, führt dies zu einer unterschiedlichen Behandlung der im Unternehmen für Spar- und Investitionszwecke einbehaltenen Gewinne und des für Konsumzwecke verwendeten Einkommens. Eine solche Trennung erfordert unterschiedliche Tarife für das betriebliche und das private Einkommen. Durch die Besserstellung des einbehaltenen Gewinns sollen Investitionstätigkeiten gefördert werden. Derzeitig ist die Situation umgekehrt. Ausgeschüttete Gewinne werden niedriger besteuert als einbehaltene.

Viertens. Personengesellschaften und Einzelunternehmen sollen das Wahlrecht haben, sich in vollem Umfang und in jeder Hinsicht wie eine Kapitalgesellschaft besteuern zu lassen. Auf diese Weise profitieren sie wie die Kapitalgesellschaften von dem niedrigen Definitivsteuersatz auf einbehaltene Gewinne. Es sollen dann auch Gehalts- und Pensionsaufwendungen als Betriebsausgaben geltend gemacht werden können. Somit werden Betriebsinhaber wie Gesellschafter einer Kapitalgesellschaft behandelt und müssen entnommene Gewinne wie eine Ausschüttung zur Hälfte in ihr zu versteuerndes Einkommen einbeziehen. Verluste des wie eine Kapitalgesellschaft verselbstständigten Unternehmens können nicht mehr mit anderen Einkünften des Betriebsinhabers verrechnet werden.

Fünftens. Wenn einbehaltene Gewinne bei Kapitalgesellschaften günstiger besteuert werden als ausgeschüttete Gewinne, besteht ein Anreiz, die Gewinne nicht auszuschütten und sie durch die Veräußerung der Beteiligungen an den Kapitalgesellschaften steuerfrei zu realisieren. Daher wird voraussichtlich bei Anteilen an Kapitalgesellschaften die Beteiligungsgrenze für steuerpflichtige auf künftigen Wertsteigerungen beruhenden Veräußerungsgewinnen auf ein Prozent gesenkt. Derzeit besteht die Möglichkeit, die Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft steuerfrei zu veräußern, wenn die Beteiligung weniger als zehn Prozent beträgt.

Zwischenzeitlich hat der Bundesfinanzminister eine weitere Kommission eingesetzt, die die unterschiedlichen Modelle anhand konkreter Fallbeispiele durchrechnet. Dabei ist eins bereits jetzt klar: Aufgrund der Haushaltslage des Bundeshaushalts ist der Gestaltungsspielraum für eine wirkliche Unternehmensteuerreform äußerst eng.

Der Autor ist promovierter Rechtsanwalt und Steuerberater in der Sozietät Flick Gocke Schaumburg, Rechtsanwälte, Wirtschaftsprüfer, Steuerberater, Berlin.

Christian Birkholz

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false