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Politik: Die Glücklosen

Die Linkspartei scheitert in beiden Ländern an der Fünfprozenthürde. Ein neuer Führungsstreit droht – kehrt Lafontaine zurück?

Von Matthias Meisner

Berlin - Es ist eine undankbare Aufgabe für Dietmar Bartsch. Punkt 18 Uhr flimmern die Prognosen über die TV-Bildschirme, die Linkspartei hat sowohl in Rheinland-Pfalz als auch in Baden-Württemberg krachend verloren. Der Ex-Bundesgeschäftsführer ist in diesem Moment das einzige prominente Gesicht im Rosa- Luxemburg-Saal der Berliner Parteizentrale, einer Wahlparty, auf der es nichts zu feiern gibt. Zweistellig hat die SPD bei den Wahlen zum Mainzer Landtag verloren, „davon gewinnen wir echt nichts“, stöhnt Bartsch. Vor einem Jahr habe die Linke bundesweit noch deutlich besser gelegen. „In der Geschwindigkeit dürfen wir auf jeden Fall nicht weiter verlieren.“ Eine neue Debatte über die angeschlagene Parteiführung will Bartsch aber nicht empfehlen, sie würde „jetzt gar nichts bringen“.

Nach und nach trudeln andere Spitzengenossen ein. Der Vorsitzende Klaus Ernst sieht ausdrücklich keine Katastrophe. „Wir werten es als Weitermachen“, sagt er. Und verweist darauf, dass die Linke noch immer in mehr west- als in ostdeutschen Landtagen vertreten sei, was so verwunderlich nicht ist, denn es gibt viel mehr West- als Ost-Länder. Aber es geht jetzt um Bezugsgrößen, und da ist es auch Ko-Chefin Gesine Lötzsch, zu Jahresanfang Urheberin der bizarren Kommunismus-Debatte, lieber, auf die Ergebnisse von 2006 zu verweisen. Damals war die Vorgängerpartei WASG angetreten, deren Wahlplakate wirkten wie selbstgebastelt. Die Ergebnisse von vor fünf Jahren – 2,7 Prozent in Rheinland- Pfalz, 3,1 Prozent in Baden-Württemberg – hat die Linke in etwa behauptet. Dass ihre Partei bei der Bundestagswahl 2009 in Rheinland-Pfalz noch auf 9,4 und in Baden-Württemberg auf 7,2 Prozent der Zweitstimmen gekommen war, erwähnt Lötzsch an diesem Abend nicht. Dass es nicht so gut gelaufen sei, führt sie auf die „absolute Sondersituation“ Fukushima zurück.

Fraktionschef Gregor Gysi ist nicht gekommen. Erst an diesem Montag will er seinen Genossen im Vorstand unterbreiten, zu welchen Konsequenzen aus dem Wahldesaster er rät. Gysi selbst hat die neue Parteiführung nach dem Rückzug von Oskar Lafontaine installiert. Dass er mit der glücklosen Spitze inzwischen nicht mehr richtig zufrieden ist, hat sich herumgesprochen. Parteivize Sahra Wagenknecht, früher Wortführerin der Kommunistischen Plattform, rät dringend von Personalstreit ab. „Völlig absurd“ wäre das in der jetzigen Situation, sagt sie. Es wäre schlicht so, dass der Atomausstieg als das „absolute Topthema“ allein den Grünen zugeordnet würde.

Er sei „schockiert“ über das Ergebnis, sagt der sachsen-anhaltinische Bundestagsabgeordnete Jan Korte. Sachsens Landesvorsitzender Rico Gebhardt spricht von einer „dramatischen Niederlage“ und rät dringend zu einer Strategiedebatte und einer „breiteren Themenaufstellung“. Sein Kollege aus Mecklenburg-Vorpommern, Steffen Bockhahn, fordert die Bundespartei auf, „schnell darüber nachzudenken, wie wieder mehr Glaubwürdigkeit hergestellt werden kann“.

Oder doch noch vor Ende der regulären Amtszeit im Frühjahr 2012 ein Führungswechsel? Namen von potenziellen Kandidaten zirkulieren bereits. Andere denken an ein Comeback von Lafontaine. „Der kann es wenigstens“, sagt ein Wortführer des Reformerflügels, anders also als Ernst und Lötzsch. Die wiegeln ab. „Ich denke, dass die Vernunft stärker ist als das Bedürfnis, sich selbst zu profilieren“, sagt Ernst zum Thema Personaldebatte. Lötzsch meint, Lafontaine sei ja „unheimlich aktiv“. Ob er nochmal Parteichef werden wolle, da müsse man ihn schon selbst fragen. „Meine Prognose ist: nein.“

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