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Politik: Die Grenzen der Sicherheit

Union will schärfere Kontrollen bei einreisenden Ausländern – die Forderung löst wenig Begeisterung aus

Von
  • Frank Jansen
  • Matthias Meisner

Berlin - Der Vizechef der Unionsfraktion im Bundestag, Wolfgang Bosbach, hat angesichts der gewachsenen terroristischen Bedrohung strengere Kontrollen von einreisenden Ausländern verlangt. Die Opposition zeigte sich wenig begeistert von der Forderung, auch der SPD-Innenpolitiker Dieter Wiefelspütz ist irritiert. Bosbach hatte im Bayerischen Rundfunk erklärt: „Wir müssen uns die Menschen, die nach Deutschland kommen wollen, gleich aus welchen Gründen, näher ansehen, insbesondere dann, wenn sie aus Problemstaaten kommen.“ Wenn es dann Zweifel gebe, müsse die Sicherheit Vorrang vor der Reisefreiheit haben.

Wiefelspütz reagierte barsch. Er sagte dem Tagesspiegel: „Ich finde, dass die Sicherheitsdebatte viel zu hektisch abläuft, grobschlächtig, primitiv, ohne Sinn und Verstand.“ In Anspielung auf Bosbach fügte er hinzu: „Mindestens Fachpolitiker sollten ihren Verstand einsetzen.“ Dass nach den vereitelten Terroranschlägen an den Grenzen genauer kontrolliert werde, sei eine „Binsenweisheit“, die „nicht an die große Glocke“ gehängt werden müsse.

Der Vize-Fraktionschef der Grünen, Hans-Christian Ströbele, forderte Bosbach auf, seine Forderung zu präzisieren. Es sei seit Jahren Praxis, dass die Botschaften vor der Erteilung von Visa „ganz genau hingucken“, ob es nun um Touristen, Arbeitskräfte, Studierende oder Geschäftsleute gehe. „Es ist ja gar nicht so einfach, hierherzukommen.“ Sollte es darum gehen, dass sich generell jeder Besucher aus Ländern wie dem Libanon, Ägypten oder Saudi-Arabien einer Gewissensprüfung unterziehen müsse, „halte ich das für sehr problematisch“, sagte Ströbele dem Tagesspiegel. Die innenpolitische Sprecherin der Linksfraktion, Ulla Jelpke, erklärte: „Man kann den Eindruck gewinnen, die Sicherheitspolitiker der Union wünschen sich neue Terroranschläge in Deutschland geradezu herbei, um sie als Argumentationskulisse für die Einschränkung von Grundrechten zu nutzen.“

Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble forderte die Muslime zu mehr Hilfe auf. „Die große Mehrheit der Muslime muss lauter sagen, was sie denkt – dass sie den Terror ablehnt“, sagte der CDU-Politiker. Bundespräsident Horst Köhler warnte vor einer Vorverurteilung ausländischer Mitbürger. Man solle nicht jeden Menschen, der anders aussehe, als potenziellen Terroristen betrachten.

Die Fahndung nach dem im Zusammenhang mit den vereitelten Kofferbombenanschlägen gesuchten zweiten Täter Dschihad H. läuft auf Hochtouren. Derweil verdichten sich die Hinweise auf Verbindungen der Familie des in Kiel festgenommenen Youssef Mohamad E. H. zur extremistischen „Hisb ut-Tahrir al Islami“ (Partei der islamischen Befreiung). Vor allem der Vater sei „auffällig“, hieß es in internationalen Sicherheitskreisen. Der Mann Anfang 60 bewege sich im Libanon „sehr konspirativ“. Es gebe den Verdacht, dass er in Richtung Syrien mit Schmuggelgut handelt und Kontakte zur organisierten Kriminalität unterhält. Der libanesische Militärgeheimdienst hatte den deutschen Behörden den entscheidenden Tipp zur Festnahme von Youssef Mohamad E. H. gegeben.

Angesichts des familiären Hintergrunds müsse man davon ausgehen, dass Youssef Mohamad E. H. bereits „radikal sozialisiert“ nach Deutschland gekommen ist, sagte ein Sicherheitsexperte dem Tagesspiegel. Dennoch bleibe unklar, warum der junge Libanese Anschläge verüben wollte. Auch die Umstände seiner Flucht aus Deutschland und der überraschenden Rückkehr bleiben diffus. Youssef Mohamad E. H. und der mutmaßliche Komplize Dschihad H., der in Köln gelebt hatte, waren am 1. August nach Istanbul geflogen und von da aus über Damaskus in den Libanon gelangt. Youssef Mohamad E. H. kehrte zwei Wochen später zurück. Sicherheitsexperten vermuten, er habe geglaubt, ihm passiere nichts und er könne in Kiel weiterhin seine Studien betreiben.

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