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Politik: Die Grenzen der Toleranz in Großbritannien

Kopftuchurteil markiert politischen Wendepunkt

In einem folgenreichen höchstrichterlichen Urteil haben die Lordrichter des Oberhauses gegen Großbritanniens berühmteste Kopftuchträgerin entschieden. Die inzwischen 17-jährige Muslimin Shabina Begum stieß vor zwei Jahren eine erbitterte Kopftuchdebatte los, weil sie lieber der Schule fernblieb, als gegen ihre religiöse Überzeugung auf den knöchellangen, körperverhüllenden „Dschilbab“ zu verzichten. Die Schule verbot ihr diese Kleidung, weil sie bereits eine mit Moscheen abgesprochene, islamgerechte Variante der Schuluniform hatte – die „Schalwar Kameez“ genannte Kombination aus Kopftuch, Tunika und Hosen.

Vor einem Jahr gab ein Appellationsgericht der Schülerin Recht. Das damalige Urteil sah die Menschenrechte der Schülerin verletzt. Nun aber wurde in letzter Instanz das Recht der Schule bestätigt, die Schuluniform zu bestimmen. Ihre Familie hätte die Schule im vollen Wissen um ihre Kleiderordnung gewählt, so Lordrichter Hoffmann in seiner Urteilsbegründung. „Statt einfach der Schule fernzubleiben und zu klagen, hätte sie sich mit den Erziehungsbehörden ins Einvernehmen setzen können. Die hätten ihr sicher geraten, sich eine andere Schule zu suchen.“

Das Urteil hat nicht nur bei Schulen in ganz Großbritannien Zustimmung und Erleichterung ausgelöst. Es passt in ein neues gesellschaftliches Klima, in dem Briten zunehmend klare Demarkationsgrenzen im Umgang mit extremistischen Muslimen ziehen. Shabinas Bruder, Hauptanstifter für den Prozess, ist Mitglied der in Deutschland verbotenen Muslimorganisation Hizbut Tahrir, die auf allen Ebenen der Gesellschaft Sonderrechte für Muslime vorantreiben und das Scharia-Recht einführen will.

Mit seiner Toleranz gegenüber Minderheiten wurde London zur Heimat von Hasspredigern und Extremisten aus aller Welt und erhielt den Beinamen „Londonistan“. Erst im Februar wurde der Hassprediger Abu Hamza zu sieben Jahren Gefängnis verurteilt, nachdem er jahrelang unbehelligt in seiner Moschee zu Hass und Gewalt gegen „Ungläubige“ aufgerufen hatte. Der Hamzaprozess und die Demonstrationen gegen die Mohammed-Karikaturen änderten alles. Als radikale Muslime unbehindert Plakate mit Aufschriften wie „Massakriert alle, die den Propheten verspotten“ hochhielten, ging ein Aufschrei durch das Land. Erst über einen Monat später wurden die Demonstranten wegen Anstiftung zum Mord verhaftet. Fast gleichzeitig wurde ein Gesetz verabschiedet, das die „Glorifizierung des Terrorismus“ verbietet und dem, was Muslime sagen dürfen, klare Grenzen setzt.

Premier Tony Blair erregte am Dienstag Aufsehen, als er in einer Grundsatzrede zum Umgang mit dem internationalen Terror erklärte, er lasse sich das Wort „islamistische Extremisten“ auch von ängstlichen Beratern nicht ausreden. Blair forderte ein Ende der falschen Toleranz, die den Extremismus begünstige. „Sie ist nur ein Zeichen von Schwäche und Defätismus und eine Beleidigung aller Muslime, die an die Freiheit glauben.“

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