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Die Griechenland-Krise: Zerren um die Hilfspakete

Die EU verlangt von Griechenland verbindliche Zusagen über nachhaltiges Sparen und Reformen. Doch was sind diese Versprechen eigentlich wert?

Griechenland soll in der Euro-Zone bleiben – so lautet das Credo von Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU). Trotz dieser Beteuerung war allerdings am Mittwoch unklar, wann Athen mit einer Zusage für ein zweites Hilfspaket mit einem Volumen von rund 130 Milliarden Euro rechnen kann. Die Verhandlungen über das Rettungspaket stockten, ein Treffen der Euro-Finanzminister am Mittwoch wurde zur bloßen Telefonkonferenz herabgestuft. Erst am Abend verkündete Eurogruppen-Chef Jean-Claude Juncker, dass am kommenden Montag wohl „alle notwendigen Entscheidungen“ fallen würden. Der griechische Präsident Karolos Papoulias attackierte unterdessen Deutsche, Holländer und Finnen wegen ihrer harten Haltung: „Ich akzeptiere nicht, dass Herr Schäuble mein Land verhöhnt, als Grieche akzeptiere ich das nicht“, sagte Papoulias. „Wer ist Herr Schäuble, wer sind die Niederländer, wer sind die Finnen?“

Auf EU-Ebene besteht Skepsis, dass Athen das Sparpaket umsetzen kann. Sind die Befürchtungen berechtigt?

Die Besorgnisse sind berechtigt, denn in der Vergangenheit blieb die griechische Regierung immer wieder versprochene Reformen schuldig. So gibt es erhebliche Rückstände bei den Privatisierungen der Staatsunternehmen und der Öffnung der sogenannten „geschlossenen Berufe“, Hunderte von Tätigkeiten, die weitgehend vom Wettbewerb abgeschottet sind.

Wie wird die Umwidmung des Euro-Finanzministertreffens in eine Telefonkonferenz in Griechenland aufgenommen?

Mit wachsender Nervosität, denn man weiß: Die Zeit wird knapp. „Für Griechenland läuft die Uhr ab“, titelte die Zeitung „Kathimerini“. Am 20. März muss der Athener Finanzminister Staatsanleihen im Volumen von 14,5 Milliarden Euro tilgen. Aber die Kassen sind leer. Wenn bis dahin nicht der geplante Schuldenschnitt unter Dach und Fach ist und weitere Hilfskredite fließen, ist Griechenland pleite.

Warum tun sich die Regierungsparteien in Athen mit der Zusage, den Sparkurs auch nach den Wahlen fortzusetzen, so schwer?

Vor allem der konservative Parteichef Antonis Samaras, der als Favorit in die voraussichtlich im April stattfindenden Neuwahlen geht, möchte sich möglichst nicht festlegen. Erst am Mittwochnachmittag erklärte er sich schriftlich bereit, dass seine Partei an den Zielen des Sparprogramms auch künftig festhalten werde. Trotz der zögerlichen Haltung Samaras’ hält es der Europaabgeordnete Elmar Brok für verfehlt, ihm den Schwarzen Peter zuzuschieben. Schließlich habe der Chef der griechischen Konservativen 21 seiner engsten Vertrauten aus der Partei ausgeschlossen, nachdem diese beim Votum über den Sparkurs in der Nacht zum vergangenen Montag nicht zustimmen wollten. „Das ist eine völlig neue Seite von Samaras“, zeigt sich Brok überzeugt. Auch der Franzose Joseph Daul, der Chef der konservativen EVP-Fraktion im EU-Parlament, lobt Samaras’ „konstruktive Rolle“.

Griechenlands sozialistischer Parteichef Giorgos Papandreou hatte die Verpflichtung auf den Reformkurs bereits unterzeichnet, als sich Samaras noch zierte. Es stellt sich aber die Frage, was Papandreous Unterschrift wert ist. Wenn die Sozialisten im März ihren neuen Parteichef wählen, dürfte er kaum Papandreou heißen.

Trotz dieser Unwägbarkeiten glaubt die griechische EU-Fischereikommissarin Maria Damanaki daran, dass unter dem Druck der drohenden Pleite inzwischen ein tief greifender Wandel in Hellas eingesetzt habe. „Es ist offensichtlich, dass in der griechischen Politik seit dem letzten Sonntag eine neue Ära begonnen hat“, sagte die Griechin dem Tagesspiegel mit Blick auf die Abstimmung im griechischen Parlament. „Zum ersten Mal haben die beiden großen Parteien die kritische Lage des Landes anerkannt. Sie haben sich angesichts von Griechenlands Verpflichtungen, die aus der Mitgliedschaft in der EU und der Euro-Zone erwachsen, pragmatisch verhalten.“

Wie wahrscheinlich ist es, dass auch nach den Wahlen im April die EU-Forderungen erfüllt werden?

Das hängt von der Zusammensetzung des nächsten Parlaments und der neuen Regierung ab. Die Konservativen führen zwar in den Umfragen mit 31 Prozent, für eine Regierungsbildung wird das aber nicht reichen. Erschwert werden könnte sie, weil vor allem die eextreme Linke wegen der Krise viel Zulauf bekommen. Deren Parteien propagieren die Einstellung des Schuldendienstes, den Austritt aus der EU und die Rückkehr zur Drachme.

Ist es denkbar, dass extreme Strömungen mit der Forderung nach Austritt aus dem Euro die Wahlen gewinnen könnten?

Noch ist eine deutliche Mehrheit der Griechen für den Verbleib in der Eurozone. In der Politbarometer-Umfrage von Anfang Februar sagten 70 Prozent der Befragten, mit der Drachme werde es dem Land wahrscheinlich noch schlechter gehen. Die Zustimmung zum Euro hat zwar, wie auch das Vertrauen in die EU, im Verlauf der Krise stetig abgenommen. Mehrheitsfähig ist die Rückkehr zur Drachme aber nicht.

Ist das Argument, es gebe zum radikalen Sparkurs in Griechenland keine Alternative, in dem Land gemeinhin akzeptiert?

Acht von zehn Griechen lehnen laut Umfragen das Sparprogramm ab, nur zwölf Prozent sind dafür – kein Wunder, hat der Sparkurs doch den meisten Menschen spürbare Einbußen beschert und das Land in die tiefste Rezession seit dem Zweiten Weltkrieg gestürzt. Eine Alternative aber haben die Kritiker nicht zu bieten – außer linksextremen Parteien wie den Kommunisten, die den Staatsbankrott erklären und alles Privateigentum verstaatlichen wollen. Eine eher symbolische Geste vollzog am Mittwoch Präsident Papoulias: Er erklärte den Verzicht auf sein Gehalt in Höhe von jährlich 85 000 Euro.

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