zum Hauptinhalt
Sie steht vor ihrer größten Bewährungsprobe: Angela Merkel

© Reuters

Merkel und die Euro-Krise: Die größte Aufgabe ihres Lebens

Sie trauen ihr nicht, der Kanzlerin. Weder die Opposition tut es, noch das eigene Lager. Doch Angela Merkel braucht großen Mut - denn bald könnten die Zocker endgültig zuschlagen.

Es ist ja nicht die Opposition alleine, die sich, tatsächlich und wegen der Dramatik, sorgt, die Kanzlerin könne in einen Pakt zum Schaden Deutschlands einwilligen. Nein, in den Koalitionsfraktionen geht ebenfalls die Angst um, in Brüssel werde etwas zur Euro-Rettung vereinbart, was dem Wähler nicht zu erklären sei und, schlimmer, zu Lasten der nächsten Generationen geht. Deshalb war es nicht nur ein taktischer Schachzug, dass Volker Kauder SPD und Grünen zuvorkam, als er für Mittwoch offiziell eine Plenarsitzung des Bundestages beantragte, um der Regierungschefin die Fahrkarten zum EU-Gipfel am selben Abend ausstellen zu können. Denn dass das Billionenspiel ein paar Nummern zu groß sein würde, um dem Haushaltsausschuss die Verantwortung zu überlassen, war ja klar.

Natürlich braucht Angela Merkel rein formal am Mittwoch keine Kanzlermehrheit. Aber würde sie die mindestens 311 Stimmen aus dem eigenen Lager verfehlen, könnte sie sich die Reise nach Brüssel schenken. Ihre Autorität wäre dahin. Und Autorität braucht sie, sie, die nach einem respektvollen Brüsseler Ondit neben Nicolas Sarkozy eben das größte Tier im europäischen Dschungel ist. Die beiden können den Rest der Herde dann auch mal zusammenstauchen; man erwartet das sogar von ihnen.

Da hat der hyperaktive Sarkozy dann seine guten Seiten. Der faucht Silvio Berlusconi an, er solle Italien gefälligst in Ordnung bringen, oder sagt David Cameron laut die Meinung. Zu Recht, denn die Briten lamentieren über die schwerfällige Maschinerie zur Stabilisierung des Euro, blockieren aber gleichzeitig alles, was die schamlose Spekulation mit der Gemeinschaftswährung erschweren würde. Einer Währung, die nicht ihre ist, von der sie allerdings profitieren. Dass die Briten zudem ihre Presse mit kaum nachprüfbaren Interna über Brüsseler Differenzen füttern, kommt bei den Euro-Staaten nicht gut an.

Kompliziert genug ist es ja ohnedies schon, und es war nicht nur der deutsche Parlamentsvorbehalt, der die Aufteilung des Gipfels in zwei Konferenzen erzwang. Glaube doch niemand, es wäre gestern nicht längst an die Öffentlichkeit gekommen, wenn sich die 27 am Sonntag in Brüssel auf etwas geeinigt hätten, das nur noch wegen des fehlenden deutschen parlamentarischen Segens unter der Decke gehalten werden musste. Nein, Schuldenschnitt, Bankenanteil, der Hebel zur Vervielfachung des Finanzvolumens aus dem Rettungsschirm – das musste ja in den 17 Euro-Staaten, den zehn EU-Ländern außerhalb der Gemeinschaftswährung, mit der Europäischen Zentralbank und dem IWF beredet werden.

Kommt freilich am Mittwoch in Brüssel wieder nur klein-klein heraus, werden die Zocker endgültig zuschlagen. Wenn aus den Milliarden auf dem Papier zur Stützung des Euro Billionen geworden sind, aber sonst nichts geschah – keine Disziplinierung, keine Fortentwicklung der Europäischen Verträge, null Wegweisung für Euro-Austritt oder Staatsinsolvenz – , dann werden sie die Billionen sehen wollen.

Am Ende wird der Euro nicht überleben, wenn alles das, was heute schon gegen ihn spricht, all seine Schwachstellen, von den Regierungen der Eurostaaten nicht endlich in einer gewaltigen und mutigen Aktion ausgeräumt ist. Von der Bundeskanzlerin wird der entscheidende Beitrag dazu erwartet. Ihn sowohl im Interesse unseres Landes als auch Europas zu gestalten, ist die größte Aufgabe ihres politischen Lebens.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false