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Politik: Die grüne Basis soll’s richten

Seit Jahren streitet die Partei über die Trennung von Amt und Mandat. Heute gibt es das Ergebnis der Urabstimmung

Von Matthias Meisner

Für die grüne Basis scheint es noch immer eine Herzensangelegenheit zu sein. Rund die Hälfte der 44 000 Mitglieder hat in der zweiten Urabstimmung der Partei den Fragebogen zurückgeschickt – um die Frage zu klären, ob die Trennung von Amt und Mandat wirklich ein alter Zopf ist, der abgeschnitten oder zumindest gekürzt gehört. An diesem Freitag will die Parteiführung in Berlin das Ergebnis bekannt geben. Ein klarer Trend zeichnete sich nach Auszählung der ersten Stimmen noch nicht ab.

Nur einmal vorher haben die Grünen eine Urabstimmung veranstaltet. Kurz nachdem die Möglichkeit einer Mitgliederbefragung eingeführt worden war, stimmte die grüne Basis vor zehn Jahren über den Zusammenschluss mit Bündnis 90 ab. Damals gab es auch keinen Streit darüber, wie hoch die Zustimmung sein müsste, um Gültigkeit zu haben – sie war überwältigend.

Mehrere Parteitage haben beraten, ohne sich auf eine Satzungsänderung einigen zu können. Die früheren Parteichefs Fritz Kuhn und Claudia Roth nahmen nach ihrer Wahl in den Bundestag den Hut, selbst um den Preis, zunächst nur Hinterbänkler sein zu können. Der nun vorliegende Kompromiss soll künftigen Parteivorsitzenden ermöglichen, im Bundestag zu sitzen, wenn auch nicht als Fraktionschef oder Minister. Die Befürworter argumentieren: Im Verhältnis zu den Vorsitzenden der anderen Parteien sollten sich die Grünen-Chefs nicht länger wie arme Verwandte vorkommen. Sie sollen die Chance haben, auch den Bundestag als Bühne für ihre politischen Initiativen nutzen zu können, wie die Vorsitzenden der anderen Parteien auch. Auch der finanzielle Aspekt mag eine Rolle spielen. Schließlich können die Grünen ihre Chefs nicht besonders üppig bezahlen. Könnten sie gleichzeitig ein Mandat ausüben, könnte das Amt für mehr Politiker attraktiv werden, hoffen die Befürworter der Änderung.

„Dafür habe ich geschafft“, sagt Parteichef Reinhard Bütikofer über dieses Ziel. Bütikofer versichert, sich seit längerem für eine Lockerung der Regeln eingesetzt zu haben. Und gibt sich optimistisch, dass der vorgelegte Kompromiss eine Mehrheit bekommt. Bütikofer war Bundesgeschäftsführer, als Kuhn und Roth noch Vorsitzende waren. Tatsächlich sind Bütikofer und Angelika Beer nur ins Amt gekommen, weil ein Grünen- Parteitag im Dezember 2002 in Hannover die Änderung der Satzung erneut abgelehnt hatte. Doch der Parteichef räumt auch ein, dass die Frage für die Mitglieder zuletzt „an Spannung verloren“ habe. Mit der Gründung des Parteirats, in dem sowohl Minister und Fraktionsführung als auch Grünen-Politiker aus den Ländern zusammenarbeiten, gebe es die „sehr aufreibenden Auseinandersetzungen“ von früher nicht mehr.

Die Argumente jener, die alles beim Alten lassen wollen, verfangen aber nach wie vor. Vize-Fraktionschef Hans-Christian Ströbele hat für die Trennung von Amt und Mandat mit dem Argument geworben, einer „Abhängigkeits- und Filzstruktur“ sollte vorgebeugt werden. Außerdem seien die Grünen doch mehr als 20 Jahre mit der Trennung von Amt und Mandat gut gefahren, meint er. Und Winfried Kretschmann ist nach Gesprächen an der Basis „nicht mehr so optimistisch“. Denn: „Es geht um Gründungsmythen, dagegen ist kein Kraut gewachsen.“

Und was ist, wenn der Antrag knapp durchgeht? Ströbele warnt schon, für eine Satzungsänderung reiche auch bei einer Urabstimmung eine einfache Mehrheit nicht aus. Der Vorstand hat sich bereits mit Rechtsgutachten gewappnet und meint, eine einfache Mehrheit genüge. „Mir ist niemand bekannt, der das anfechten möchte“, sagt Bundesgeschäftsführerin Steffi Lemke. Womöglich streiten die Grünen in ein paar Wochen trotzdem vor Gericht weiter.

Doch zunächst hoffen alle im Parteivorstand und der Bundestagsfraktion, die Abstimmung werde – endlich – ein klares Ergebnis bringen. Selbst wenn die Trennung von Amt und Mandat mehrheitlich bestätigt werden sollte. „Dann leben wir damit“, sagt Bütikofer.

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