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Politik: Die grüne Insel – ein Steuersumpf

Von Martin Alioth, Dublin Drei Jahre lang haben irische Richter und Wirtschaftsexperten die Fäden einer groß angelegten Verschwörung gegen das Finanzamt verfolgt. Am Samstag wurden ihre Erkenntnisse in Dublin auf 10 000 Seiten veröffentlicht.

Von Martin Alioth, Dublin

Drei Jahre lang haben irische Richter und Wirtschaftsexperten die Fäden einer groß angelegten Verschwörung gegen das Finanzamt verfolgt. Am Samstag wurden ihre Erkenntnisse in Dublin auf 10 000 Seiten veröffentlicht. 190 Einzelpersonen und Firmen werden als potenzielle Steuerbetrüger genannt, und die Liste liest sich wie ein „Who is Who?“ der irischen Wirtschaftskapitäne der vergangenen 30 Jahre. Sie schleusten ihre Privatvermögen am irischen Fiskus vorbei auf die Cayman-Inseln; manche gingen noch weiter und nahmen, gestützt auf dieses versteckte Kapital, Darlehen in Irland auf – die Schuldzinsen verrechneten sie mit ihrer Steuerschuld.

Die Operation genoss de facto Immunität, denn ihr mächtigster Mitwisser war der ehemalige Premierminister Charles Haughey. In seinem Windschatten flossen die Gelder aus dem Land, im Gegenzug erhielt der korrupte Politiker riesige Geldgeschenke. Die Cayman-Konten wurden 1972 bis 1997 von einem prominenten Privat-Bankier verwaltet, der in zahlreichen Aufsichtsräten saß. Der inzwischen verstorbene Des Traynor empfing Bargeld und Schecks von Freunden und Bekannten in braunen Kuverts und schrieb möglichst wenig auf. Zeitweise, so schätzten die Fahnder, schwappten rund 600 Millionen Mark auf karibischen Konten herum.

Gleich der halbe Aufsichtsrat der damals größten irischen Firma, Cement Roadstone Holdings, taucht im Untersuchungsbericht auf, Grundstücksspekulanten, Hoteliers und Anwälte, Aufsichtsräte und ein Direktor der irischen Zentralbank erscheinen in den Listen. Wer auch immer in den 80er Jahren ein marodes irisches Unternehmen als Wirtschaftsguru retten sollte, zahlte offenbar keine Steuern. Derweil waren die Einkommenssteuersätze für einfache Leute damals sehr hoch, Haughey selbst empfahl dem Land, den Gürtel enger zu schnallen.

Die Veröffentlichung des Berichts wird vermutlich keine unmittelbaren politischen Konsequenzen haben, denn die Käuflichkeit Haugheys – er soll im Laufe der Jahre rund 12 Millionen Euro kassiert haben – ist seit fünf Jahren bekannt. Aber die Publikation signalisiert einen Neubeginn im Umgang des irischen Staates mit der bislang unantastbaren Wirtschaftselite. Die Gesetze gegen Steuerhinterziehung gibt es schon lange, aber sie wurden nie angewandt. Erst in jüngster Zeit haben Irlands Gerichte begonnen, Haftstrafen für Steuerbetrüger zu verhängen, drei von ihnen sitzen zur Zeit hinter Gittern.

Die frisch Entlarvten wandern nicht automatisch ins Gefängnis, denn die Untersuchung stellte keine Straftatbestände fest. Allerdings deckte sie auf, dass 100 Mitverschwörer ihre karibischen Reichtümer nicht versteuerten. Das Finanzamt wird in jedem Einzelfall illegales Verhalten nachweisen müssen. Das kann für die Betreffenden teuer werden – und bedroht doch ihre Freiheit.

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