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Politik: Die Grünen: Auf Vordermann

In spannungsreichen Momenten bricht Joschka Fischer den hohen Erwartungsdruck gern mit ironischen Tönen. "Sie sehen, es geschehen noch Zeichen und Wunder", sagte der Außenminister am Montag, als er ans Mikrofon trat, um einen Auftrag seiner Partei zu erfüllen, auf den er lange gewartet hatte.

Von Hans Monath

In spannungsreichen Momenten bricht Joschka Fischer den hohen Erwartungsdruck gern mit ironischen Tönen. "Sie sehen, es geschehen noch Zeichen und Wunder", sagte der Außenminister am Montag, als er ans Mikrofon trat, um einen Auftrag seiner Partei zu erfüllen, auf den er lange gewartet hatte. Da war der männliche Grünen-Politiker Fischer von Parteichefin Claudia Roth gerade zum alleinigen Spitzenkandidaten der Grünen für die Bundestagswahl ausgerufen worden - eine Entscheidung, die in der streng geschlechterquotierten Partei einer kleinen Revolution gleichkommt.

Der Ort der Verkündung sollte das Neue und Gewagte an der Politik der Grünen symbolisieren: Der Hamburger Bahnhof in Berlin, in dessen "Grünem Saal" die Spitze der Koalitionspartei ihren Wahlkampfauftakt inszenierte, ist schließlich ein Ausstellungsort der Avantgarde. Und als fortschrittliche, vorauseilende Kraft wollen sich die Grünen auch im Wahlkampf darstellen.

Fischer wird Spitzenkandidat, aber nach dem Motto "Sechs plus eins" führt er die Grünen gemeinsam mit einer Gruppe von Spitzenpolitikern in den Wahlkampf. Die reihten sich brav hinter dem Außenminister auf, während der seine erste Wahlrede als offizieller Vormann hielt und versicherte, die Rede vom Team sei für ihn "nicht nur eine Floskel". Zum Wahlkampfteam gehören die beiden Minister Renate Künast und Jürgen Trittin, die Parteichefs Claudia Roth und Fritz Kuhn und die Fraktionschefs Kerstin Müller und Rezzo Schlauch.

Die Rolle, die ihm die eigene Partei erstmals offiziell anvertraut, will der populärste deutsche Politiker offensichtlich mit Elan ausfüllen: "Ich dürste danach, dass ich jetzt aus der Rolle des Diplomaten wieder raus kann", versicherte der Außenminister: "Innenpolitik ist nun auch für mich wieder angesagt." Keinen Zweifel ließ Fischer daran, dass die Nominierung des Kanzlerkandidat der Union die Strategie seiner Partei wesentlich bestimmt: "Die Grünen werden klarmachen, dass wir die inhaltliche Alternative zu Edmund Stoiber sind." Gleichzeitig erwartet der Vizekanzler aber, dass Stoiber in die Mitte rücken wird. Auf die eigene Partei sieht er ein hartes Stück Arbeit zukommen: "Es wird alles andere als einfach für uns werden", sagte Fischer voraus und wies den Grünen für die Wahl im Herbst eine besondere Aufgabe zu: "Die Entscheidung fällt nicht zwischen den großen Parteien, sondern zwischen den kleinen."

Deutlich machte Fischer, dass er im Wahlkampf selbst inhaltliche Schwerpunkte setzen will. Er sprach nicht nur die Grundbotschaft der "ökologischen und sozialen Erneuerung" des Landes aus, sondern nannte noch vor den Themen Weiterführung der Ökosteuer, der Energiepolitik und der Europapolitik die Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Die Bemühungen um eine flächendeckende Ganztagsschule und vorschulische Betreuung sei eine "zentrale Herausforderung", sagte er.

Die Ausrufung des Einzelkandidaten war innerparteilich umstritten. Zuletzt hatte die Überlegung den Ausschlag gegeben, dass die Partei in einem stark personalisierten Wahlkampf mit Fischer besser punkten könne als mit einer Doppelspitze. Die letzte Entscheidung traf der Parteirat. In dem Gremium hatte die Frage, ob die Doppelspitze nicht das wichtige weibliche Wählerreservoir stärker mobilisiere, keine große Rolle mehr gespielt. Nur Thüringens Landeschefin Astrid Rothe wandte sich gegen Fischers Spitzenstellung.

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