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Jürgen Trittin.

© dpa

Die Grünen: Die Dafür-Partei

Auf ihrer Fraktionsklausur in Weimar bemühen sich die Grünen, ihr Verhinderer-Image abzuschütteln. Jürgen Trittin will mehr Beteiligung der Bürger bei großen Projekten.

Von Hans Monath

Es war ein bedeutender Ort deutscher Geistesgeschichte, an dem die Bundestagsabgeordneten der Grünen zum Auftakt des politischen Jahres kulturelle und historische Anregung empfingen. Am zweiten Tag der traditionellen Fraktionsklausur hatten sich die Parlamentarier abends in der Herder-Kirche im Zentrum von Weimar versammelt und hörten sich ein brausendes Orgelkonzert an.

Von der Kanzel rechts im Kirchenschiff hatte Martin Luther 1520 drei Predigten gehalten, die er später unter dem Titel „Von weltlicher Obrigkeit und den Grenzen des Gehorsams“ veröffentlichte, wie Hausherr Heinrich Herbst erläuterte. Bezüge zur aktuellen Politik herzustellen, überließ der Superintendent seinen Gästen. Deren Partei hatte im vergangenen Jahr mit Großprotesten gegen den Tiefbahnhof in Stuttgart und gegen den Transport von Atommüll Aufsehen erregt und gleichzeitig in Umfragen erstaunlich stark zugelegt.

Doch in einem Jahr mit sieben Landtagswahlen kann die Festlegung auf eine reine Haltung des Protests und Verhinderns zum Problem werden, wie grüne Strategen befürchten. Denn der politische Gegner hat zum Jahreswechsel seine Anstrengungen verstärkt, die Ökopartei als Fortschrittsblockierer und Stillstandsfetischisten zu brandmarken. Die CDU schaltete eine Internetseite („die-dagegen-partei.de“), die quer durch die Republik Projekte auflistet, die von den Grünen bekämpft werden. Die CSU produzierte ein monochrom-grünes Video, in dem ein Strichmännchen-Demonstrant so ungeschickt mit einer Zwille hantiert, dass er sich selbst am Kopf trifft. Zur Melodie von „Ein Männlein steht im Walde“ wird die Schlussfolgerung gesungen, man wolle doch besser „kein Grüner sein“.

Die Fraktionsklausur war darauf angelegt, die Grünen als Beweger in der deutschen Politik zu zeigen, deren „Dagegen“ nur eine schlechte Politik von Schwarz- Gelb blockieren will, um eigene positive Vorschläge durchzusetzen. Die Wörter „dafür“ und „für“ kamen in den Statements der Fraktionschefs Renate Künast und Jürgen Trittin in Weimar denn auch auffällig oft vor. Die Grünen präsentierten sich als treibende Kraft beim Ausbau einer modernen Infrastruktur. „Wir sprechen uns für den Ausbau der Infrastruktur in den Bereichen Energie und Breitband aus“, sagte Trittin. Die Klausur beschloss ein Konzept zur Modernisierung der deutschen und europäischen Stromnetze.

Auch das in Weimar präzisierte Instrument der zeitlich begrenzten Vermögensabgabe für Millionäre, das die Grünen in diesem Jahr in den Bundestag einbringen wollen, erklärte Trittin streng in der neuen Positiv-Semantik: „Wir sind dafür, dass die Kosten der Krise nicht zukünftigen Generationen aufgelastet werden.“ Mit dem erhofften Erlös aus der Vermögensabgabe in Höhe von mehr als 100 Milliarden Euro in zehn Jahren sollen die Schulden des Staates abgebaut werden. Im Gespräch sind ein Satz von 1,5 Prozent pro Jahr sowie Freibeträge von einer Million für Singles und doppelt so viel für Verheiratete.

Auch die von ihnen propagierte verstärkte Bürgerbeteiligung deuteten die Grünen in Weimar nicht nur als sozialen Wert, sondern auch als Beitrag zur Modernisierung der Infrastruktur. Nur die Einbeziehung der Bürger könne die Akzeptanz schaffen, die eine schnellere Realisierung der Projekte ermögliche, und das erfordere ein radikales Umdenken. Die Planungsverfahren für große Infrastrukturprojekte in Deutschland müssten „vom Kopf auf die Füße“ gestellt werden, forderte Trittin.

So sehr die Grünen eine Brandmarkung als „Dagegen-Partei“ fürchten, so locker geben sie sich im Umgang mit der Zuspitzung der Botschaft durch CDU und CSU. So beschwerten sich die sächsischen Grünen bei der Bundes-CDU, sie protestierten gegen weit mehr Projekte, als auf der Internetseite dargestellt werde. Und Renate Künast verkündete, die Grünen würden keineswegs einen Stopp des „Männlein“-Videos von der CSU verlangen, das auf „Youtube“ stark gefragt ist. Denn: „Das kann ein kleiner Hit werden.“

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