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Politik: Die Kabuler Front

Während die Nato gegen die Taliban kämpft, erobern ehemalige Kriegsherren politischen Einfluss zurück

Berlin - Nun hat sie wirklich begonnen, die Entscheidungsschlacht in Afghanistan. Die Taliban haben sich über den Winter in den Bergen neu formiert und gehen mit frischen Kräften in den Guerillakrieg gegen ausländische und afghanische Truppen – so wie sie es seit ihrem Sturz 2001 in jedem Jahr getan haben. Diesmal wollte ihnen die von der Nato geführte Schutztruppe Isaf allerdings zuvorkommen. Mit der Offensive „Achilles“ will die Nato die Gotteskrieger endlich so stark schwächen, dass auch im bisher noch umkämpften Süden und Osten Afghanistans mit dem Wiederaufbau begonnen werden kann.

Doch im Kampf um Afghanistans Zukunft gibt es längst noch eine weitere Front – in Kabul. Westliche Beobachter warnen vor einem wachsenden Einfluss demokratiefeindlicher Kräfte in der Hauptstadt. „Der Präsident gerät immer stärker unter Druck durch ehemalige Dschihadführer“, sagt die Afghanistan-Expertin Citha Maaß von der Stiftung Wissenschaft und Politik. Diese Führer hätten zumeist schon gegen die sowjetische Besatzung Afghanistans gekämpft und später gegen die aus Pakistan eingedrungenen Taliban. Viele von ihnen saßen auch bei der ersten Friedenskonferenz für Afghanistan auf dem Bonner Petersberg mit am Tisch - obwohl sie von Demokratie ebenso wenig hielten wie etwa von Frauenrechten.

Vor wenigen Tagen gelang ihnen ein Coup, der die politische Landschaft Afghanistans schon bald verändern könnte: Sie kündigten die Gründung einer Großpartei an, für die sie sogar ihre früheren Erzfeinde, die Kommunisten, mit ins Boot geholt haben. Vorsitzender der „Vereinigten Nationalen Front“ ist der ehemalige afghanische Präsident Burhanuddin Rabbani, der als radikaler Islamist und Antidemokrat gilt. Weitere bekannte Parteigrößen sind General Abdul Raschid Dostum, Junus Kanuni und Marschall Mohammed Kassim Fahim, alle drei Vertreter der ehemaligen Nordallianz, die zwar 2001 die Taliban aus Kabul vertrieben hat, jedoch ebenfalls für brutale Menschenrechtsverletzungen verantwortlich gemacht wird.

Laut Rabbani will die neue Partei dafür kämpfen, das bisherige präsidentielle System durch ein parlamentarisches zu ersetzen. In Zukunft solle die Partei mit den meisten Sitzen im Parlament den Ministerpräsidenten bestimmen, sagte Rabbani. Dort freilich haben sich Anhänger früherer Kriegsherren durch Einschüchterung von Wählern und Manipulationen die Mehrheit gesichert. Westliche Beobachter gehen davon aus, dass diese Gruppe Präsident Karsai dazu gedrängt hat, ein Amnestiegesetz für Kriegsverbrecher auf den Weg zu bringen, das Anfang des Jahres vom Parlament verabschiedet wurde. Und sie setzten die Regierung möglicherweise auch unter Druck, Verhandlungen mit den Taliban zu führen, vermutet Citha Maaß.

Vor wenigen Tagen bestätigte Präsident Karsai erstmals offiziell, dass es solche Gespräche längst gibt. Er selbst habe sich wiederholt mit Vertretern der Taliban getroffen und sie aufgefordert, ihre Waffen niederzulegen, sagte Karsai in Kabul. Ziel ist offenbar, afghanische Mitläufer vom harten - pakistanischen - Kern der Taliban abzuspalten. „Afghanische Taliban sind immer willkommen, sie gehören zu diesem Land“, erklärte Karsai. Ausländische Extremisten dagegen müssten „vernichtet“ werden. Die Hoffnung der Kriegsherren: Abtrünnige Taliban werden sich eher auf ihre Seite schlagen als auf die der vom Westen beeinflussten Regierung Karsai. Es wäre nicht das erste Mal, dass in Afghanistan aus Feinden Verbündete werden – auf Zeit jedenfalls.

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