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Gut aufgelegt, kämpferisch: Kanzlerin Angela Merkel am Mittwoch bei der Generaldebatte im Bundestag.

© John MACDOUGALL/AFP

Die Kanzlerin im Bundestag: Was will Angela Merkel noch?

Beim Auftritt der Kanzlerin im Bundestag wird deutlich: Sie wird sich nicht ändern. Und das ist auch gar nicht schlecht. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Stephan-Andreas Casdorff

Angela Merkel, wie sie leibt und lebt. Die Rede der Kanzlerin im Bundestag zum nächsten Etat, traditionell Gelegenheit, lange Linien zu ziehen und einen großen Entwurf mit Verve vorzutragen – wie war sie wohl? Merkelsch. Wie man sie kennt.

Das muss nicht schlecht sein. Bekanntes, Bewährtes in Art und Umgang kann Vertrauen erhalten, wo es allenthalben in unserer Gesellschaft verloren zu gehen droht. Und da wiederum kann helfen, was die Kanzlerin auf Konrad Adenauers Spuren (in der Länge ihrer Amtszeit) anbietet: „Sie kennen mich.“

Mit diesem Satz hat Merkel ja einmal für sich und ihre Wiederwahl geworben. Und es ist genau dieses Gefühl der Vertrautheit, dessentwegen sie immer noch das ist, was sie ist. Nicht wenige in ihrer Partei, auch die, die sich unlängst noch von ihr lossagten und sie loswerden wollten, wünschen sich heute, dass sie bleibt.

Merkels Nachfolge-Alternativen haben nicht ihr Niveau

Weil die Alternativen nicht überzeugen. Die da kommen wollen, müssen mindestens ihr Niveau halten. Was bei keinem und keiner ganz sicher ist. Nicht (mehr) bei Annegret Kramp-Karrenbauer, (noch) nicht bei Jens Spahn. Der zwischenzeitlich gehandelte neue CSU-Grande Markus Söder? Oder Armin Laschet? Nur vielleicht.

Gleichviel, Merkel gestern im Bundestag: Sie geht vom Großen ins Kleine und ganz Kleine und wieder zurück. Nichts fehlt, alles ist klar analysiert. Herausforderungen überall: China – in jeglicher Hinsicht, politisch wie wirtschaftlich –, Hongkong, dazu der unsichere Freund USA, dann die Zukunft der EU, der schwächelnde Multilateralismus, der Klimaschutz, die Globalisierung, die Digitalisierung. Für diese Kanzlerin ist nichts mehr Neuland. Nichts fordert sie so heraus, dass sie Contenance oder Balance verlöre.

Für Merkel geht es vorrangig darum, dass alles „operabel“ bleibt, wie sie es nennt. In ihrem typischen Duktus, ungerührt, unverändert. Mögen sich manche die Frage stellen, ob die Kanzlerin nun gerade bloß referiert oder etwas im Sinn des Ganzen gutheißt und sich das voll und ganz zu eigen macht – Merkel bleibt die Kanzlerin des Details, bis hin zur Frage, wie die Kommunen mit der Windkraft umgehen. Je länger sie so redet, desto ruhiger wird es.

Merkels Art legt nahe: Es wird schon nicht so schlimm werden

Ihre Kritiker nennen das sedierend. Die Beliebtheitswerte sagen anderes, sie hat die höchsten aller Politiker in Regierungsverantwortung. Weil Merkel in ihrer Art nahelegt: Mag die Welt um uns herum in heller Aufregung sein, mag die Demokratie in Europa unter Druck geraten, mag hierzulande die SPD mit sich bis zum Umfallen ringen – es wird schon nicht so schlimm werden.

Und, ist das schlimm? Nicht für die, die Merkel so erleben: Getreu ihrem Leitmotiv „In der Ruhe liegt die Kraft“ bewahrt sie mit Gelassenheit und Verbindlichkeit die Ruhe auch im Land. Denn unter dieser Merkel kann alles gedeihen, wenn es zu gedeihen vermag: das linke, das konservative, das liberale. Denn diese Merkel ist irgendwie für alle da.

Schlimm ist das nur für alle die, die mehr erwarten; mehr als die beschriebenen Herausforderungen in ihre Bestandteile zu zerlegen. Für die, die wissen wollen, wofür einer oder eine die Macht haben will und sich nach einem intellektuellen Überbau sehnen. Für die, die eine andere Herangehensweise wünschen, schneller, dynamischer, grundlegender. Was diese Kanzlerin noch will? Sich jedenfalls nicht ändern. Wie man sie kennt.

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