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Blick auf den Petersdom in Rom. Viele Orden stecken in finanziellen Schwierigkeiten.

© Mario Laporta/AFP

Die Kirche und die Finanzen: Orden und Unordnung

Italienische Patres und Nonnen haben sowohl Spendengelder als auch staatliche Mittel veruntreut - und ihre Orden an den Rand des Ruins gebracht. Möglicherweise hängt auch der Vatikan mit drin

Es braucht schon einen ganz speziellen geistlichen Humor, um eine Klinik für Hautkrankheiten nach der „Unbefleckten Jungfrau Maria“ zu benennen. „Söhne der Immacolata“ nennt sich auch die Ordensgemeinschaft, die das fachlich hoch renommierte IDI-Krankenhaus in Rom betreibt. Doch unbefleckt stehen die Brüder nicht da. Im Gegenteil: Die Oberen sind mit der Kasse durchgebrannt. Der IDI-Chef selbst, Pater Franco Decaminada, hat ein Luxus-Landhaus in der Toskana erworben, privat natürlich, dazu kamen etliche nicht ganz billige Autos, Bargeldabhebungen von 82 Millionen Euro und verschwiegene Konten in Panama, in Liechtenstein, auf der Isle of Man ... Jedenfalls haben die „Söhne der Unbefleckten“ ihr Haus unter einem Schuldenberg von etwa einer Milliarde Euro begraben; 144 Punkte umfasst die Anklage, die demnächst beim Prozess gegen 40 Geistliche und Komplizen verlesen wird. Und hätte nicht der Vatikan an die 150 Millionen Euro lockergemacht für eine Insolvenz-Regelung mit dem staatlichen Gesundheitssystem – das IDI mit seinen insgesamt fünf Kliniken und 1334 Beschäftigen gäbe es seit diesem Frühjahr nicht mehr.

Insolvente Nonnen

Gleichzeitig sorgt ein ähnlicher Fall in Apulien für Aufregung. Dort sollen die Schwestern von der „Göttlichen Vorsehung“ ihre Großklinik systematisch ausgenommen haben – während die 1600 Beschäftigten (wie im IDI) teils monatelang auf ihr Gehalt und die Lieferanten auf Bezahlung ihrer Rechnungen zu warten hatten. Auch Millionen an Steuerschulden sollen die Schwestern angehäuft haben – bis dann ein rechtskonservativer Parlamentsabgeordneter aus der Region die Sache auf seine Weise in die Hand nahm: Klientelpolitik betreibend, unsinnige Stellen schaffend für Freunde und Freundinnen und Freunde von Freunden – und ins nationale Haushaltsgesetz einen Passus schmuggelnd, nach dem die „Klinik der Göttlichen Vorsehung“ bis Ende 2015 von Steuerzahlungen befreit ist.

Hängt der Vatikan mit drin?

In die Machenschaften verwickelt könnten laut apulischer Staatsanwaltschaft auch hohe Vatikanprälaten sein. Zudem sorgt derzeit wieder mal ein Telefonprotokoll für Aufregung. Belauscht hatten die Carabinieri ein Gespräch zwischen Kardinal Giovanni Versaldi, zur Tatzeit Chef der Vatikanischen Wirtschafts-Präfektur, und dem Manager des ebenfalls vatikanischen Kinderklinikums Bambino Gesù in Rom. „Heute Abend sind wir beide (in Sachen IDI, Anm. d. Red.) beim Papst“, teilte Versaldi dem Manager mit: „Aber du darfst ihm nichts sagen von diesen 30 Millionen da ...“

Seither kreist der Verdacht, der Kardinal habe von den staatlichen Zahlungen für das Bambino Gesù dreißig Millionen Euro abzweigen wollen, um unter Patronage des Vatikans das IDI in die Eigentümerschaft des Ordens zurückzukaufen nicht mit „technischen Details“ zu belasten. Fakt ist aber, dass die Hautklinik IDI dieses Frühjahr mit Genehmigung des Gesundheitsministeriums an eine vatikanische Stiftung verkauft worden ist, der Kardinal Versaldi vorsitzt – und in welcher der Orden der „Unbefleckten“ massiv vertreten ist.
Gleichzeitig haben zwei noch viel größere Orden der katholischen Kirche aufgrund eigener miserabler Finanzverwaltung den Notstand ausgerufen: Der Erzieherorden der Salesianer hat sich beim Antreten einer überaus großzügigen Erbschaft von dubiosen Finanzmaklern derart übers Ohr hauen lassen, dass die Pfändung des römischen Mutterhauses und der Bankrott des gesamten Ordens droht – ausgestanden ist die Sache noch immer nicht. Franziskanergeneral Michael A. Perry wiederum musste im Dezember vergangenen Jahres einen Brandbrief an die Mitbrüder in aller Welt schicken, demzufolge sich „die zentrale Ordensleitung in großen, ich unterstreiche: großen finanziellen Schwierigkeiten“ befinde; schuld seien „eigenmächtige“ Geschäfte ausgerechnet des obersten Ordens-Ökonoms „und anderer, nicht franziskanischer Personen“ bei der Einrichtung eines Luxushotels mitten in Rom. „Unsere Überwachungs- und Kontrollsysteme waren allzu schwach“, gab Perry offen zu.

Weniger Spenden für die Kirche

Um Einsichten dieser Art drückt sich auch die katholische Kirche Italiens als solche nicht länger herum. Nunzio Galantino, der von Franziskus eingesetzte Generalsekretär der Italienischen Bischofskonferenz, gab unlängst bekannt, dass die steuerbegünstigten Spenden der Italiener an seine Kirche im letzten Jahr wieder einmal um fünf Prozent zurückgegangen seien; zweitens neigten immer weniger Landsleute dazu, die acht Promille ihrer Einkommensteuer, deren Empfänger – Staat oder diverse Religionsgemeinschaften – sie frei bestimmen können, der katholischen Kirche zu überlassen. Beides zusammen macht ein Minus von 60 Millionen Euro bei den Einnahmen.

„Seien wir ehrlich“, sagt Bischof Galantino: „Das System ist gescheitert.“ Er sucht die Schuld dafür aber nicht länger in der grassierenden Arbeitslosigkeit und all den anderen, unbestreitbaren wirtschaftlichen Problemen der italienischen Familien. Er findet sie erstmals in der Kirche selber: im Mangel an „Transparenz, Strenge und Respekt gegenüber den Gläubigen“ bei der Verwaltung des gespendeten Geldes.

Bei den seit sieben Jahren ohnedies gesperrten Priestergehältern muss Italiens Bischofskonferenz dieses Jahr noch einmal um 50 Millionen Euro abspecken. Als einen hausgemachten Grund dafür nennt Galantino die auf 225 Diözesen zersplitterten Fonds, aus denen die Pfarrer ihren Lohn bekommen: „Mindestens hundert“ dieser Fonds müssten aufgelöst werden, verlangt Galantino – wegen fehlender Rentabilität, aber auch wegen Dilettantismus in der Verwaltung, wegen Misswirtschaft, befördert durch das Fehlen „ernsthafter“ Kontrollen: „Wir können aber die Gläubigen nicht um Beiträge bitten, bevor wir nicht selbst unsere Hausaufgaben gemacht haben.“

In einem Punkt aber gibt’s einen gewichtigen Fortschritt: Nach Angaben der apulischen Staatsanwaltschaft sind die Untersuchungen zur „Klinik der Göttlichen Vorsehung“ der erste Fall, in denen die Vatikanbank IOR mit den italienischen Ermittlern zusammengearbeitet und die geheimen Konten der Nonnen offengelegt hat: „Sonst wären wir nie so weit gekommen“, sagt ein Staatsanwalt.

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