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Politik: Die Kleinen mussten draußen warten

Von Eigentümlichkeiten eines Wahlabends mit neuen Landtagsanwärtern und Politikerfloskeln an der Wahlurne

Am traditionellsten hatte sich der Grünen-Spitzenkandidat gekleidet. Sepp Daxenberger trug den Janker, die graue Trachtenjacke. Gabriele Pauli von den Freien Wählern, das war vielleicht die größte Überraschung vor der Schließung der Wahllokale in Bayern, hatte kein Dirndl an. Neben dieser Tatsache war es so, dass die Wähler bis zum späten Mittag nicht besonders eifrig an die Wahlurnen gingen. Die Politiker, allen voran die CSU-Spitze um Ministerpräsident Günther Beckstein und Parteichef Erwin Huber, taten dagegen das, was man von ihnen erwarten durfte, sie beschworen noch einmal ihr Wahlziel: „50 plus X.“ Beckstein betonte dann noch, dass er zuversichtlich sei und es selbstverständlich keinen Plan B gebe – weil es ihn ja auch nicht geben müsse.

Einen Plan B brauchten in gewisser Weise die kleineren Parteien. Das hatte zwar auch etwas mit der Wahlbeteiligung und der Wahl an sich zu tun, in erster Linie aber mit den Protokollwächtern des bayerischen Landtags. Die hatten nämlich verfügt, dass die Parteien, die bisher nicht im Maximilianeum vertreten sind, frühestens um 18 Uhr 01 hereindürften. Die magische Grenze ist die Veröffentlichung der Wahlprognose um Punkt 18 Uhr. Wer dann drin ist – im Landtag –, darf auch physisch rein – mit ein paar Leuten, um der Presse Rede und Antwort zu stehen. Was die Freien Wähler und die Linken bis dahin machten, blieb ihnen überlassen. Ja, man habe verhandelt über diese Eigentümlichkeit eines bayerischen Wahlabends, heißt es bei den Freien mit schiefem Lächeln. Die Linke scherzte, man könne ja mit dem Bollerwagen und einem Fass Bier vor der Tür warten. Gegen ein fröhliches Trinkgelage draußen hätte man im Landtag wohl nichts, nur politische Werbung ist dort verboten.

Die FDP hatte die Lage im Griff: Da ihre Abgesandten, die kurz nach 18 Uhr – fertig geschminkt und gebügelt – im Fernsehen Rede und Antwort stehen sollten, alle im Bundestag sind, sei die Sache klar: Bundestagsabgeordnete dürfen rein, wann es beliebt.

Derweil erreichte in größeren Städten des Freistaats die Beteiligung in den ersten Stunden noch nicht einmal die Vergleichsquoten von 2003, teilten Wahlleiter mit. Damals hatte die Wahlbeteiligung am Ende mit nur 57,1 Prozent den bisher niedrigsten Stand überhaupt erreicht. Vor allem Kirchgänger und ältere Bürger nutzten den Vormittag bei meist noch neblig-trübem Wetter zur persönlichen Stimmabgabe. Die Briefwahlquote dürfte etwa gleich geblieben sein. Während die Zahl der beantragten Unterlagen in manchen Städten nach Auskunft der Wahlämter leicht sank, nahm sie andernorts etwa im selben Umfang zu. Vermehrt nutzten Bürger auch das Internet zur Abstimmung.

Das mit 70 500 Quadratkilometern flächenmäßig größte Bundesland mit mehr als zwölf Millionen Einwohnern hat sich in den vergangenen Jahrzehnten zu einem der führenden Dienstleistungs- und Hochtechnologie-Standorte entwickelt. Trotzdem werden Traditionen und das Image von Bier und Weißwurst gepflegt – nicht zuletzt, weil sie Millionen von Touristen anlocken. 2007 lag Bayern laut volkswirtschaftlicher Gesamtrechnung der Länder mit einem Wirtschaftswachstum von 2,8 Prozent gleichauf mit Hamburg und Baden-Württemberg an der Spitze der Bundesländer. Die Arbeitslosenquote war im August mit 3,9 Prozent so niedrig wie sonst nirgends in der Bundesrepublik. Im Juni hatte Bayern den langjährigen Rekordhalter Baden-Württemberg vom ersten Platz verdrängt. mit ddp/dpa

Carolin Kreil[München]

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