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Politik: Die Koalition rettet ihr Klima

Streit um Abgashandel beigelegt / Clement und Trittin fühlen sich als Gewinner / Heftige Kritik der Ökologen

Berlin. Die rot-grüne Koalition hat beim Streit um einen Kompromiss im Klimastreit nach Informationen des Tagesspiegels auf der Kippe gestanden. „Das Klima ist etwas rauer geworden“, sagte Grünen-Parteichef Reinhard Bütikofer mit Blick auf die Koalition. Nach Ansicht von SPD-Parteichef Franz Müntefering wurde eine „gute, tragfähige, belastbare Entscheidung“ getroffen. Während sich die Industrie grundsätzlich zufrieden zeigte, reagierten Umweltschützer empört auf den Kompromiss. Die WWF-Klimaexpertin Regine Günther sprach von einer Kapitulation der rot-grünen Koalition vor der deutschen „Anti-Klimaschutz-Lobby“.

Von Dagmar Dehmer

und Cordula Eubel

Auf Druck von Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) hatten sich Wirtschaftsminister Wolfgang Clement (SPD) und Umweltminister Jürgen Trittin (Grüne) in der Nacht zum Dienstag auf einen Kompromiss geeinigt. An dem Krisengespräch waren Schröder, sein Kanzleramtschef Frank-Walter Steinmeier und Vizekanzler Joschka Fischer (Grüne) beteiligt. Damit kann die Bundesregierung pünktlich an diesem Mittwoch den Plan für die Zuteilungsrechte an die Europäische Kommission nach Brüssel melden.

Trittin musste dabei wesentliche Abstriche bei der Menge der Gesamtemissionen machen, welche die Industrie in den kommenden Jahren ausstoßen darf. Als Sieger konnte sich der grüne Minister dafür bei einer Übertragungsregelung fühlen, die Anreize für Modernisierungsinvestitionen bieten soll. Parteichef Bütikofer sprach von einem „schweren, aber vertretbaren“ Ergebnis.

Clement lobte, dass es mit dem Kompromiss „keine Bremse fürs Wachstum“ gebe. Er appellierte an die Industrie, jetzt in die Erneuerung der Kraftwerke zu investieren, da nun Planungssicherheit gegeben sei. Trittin erntete für den Kompromiss nicht nur Kritik von Umweltverbänden, sondern auch aus der eigenen Partei. Die Partei habe „fast nichts erreicht“, beklagte der umweltpolitische Sprecher der Bundestagsfraktion, Winfried Hermann. Als „vertretbar, aber nicht berauschend“, bezeichnete der Grünen-Abgeordnete Fritz Kuhn das Ergebnis. Die Grünen würden in den kommenden Monaten um die Ökologie kämpfen, kündigte er an. Für 2004 sieht er dazu bereits die Gelegenheit: „Ein Innovationsjahr ohne ökologische Modernisierung ist wie ein Sommer ohne Sonne“, sagte Kuhn dem Tagesspiegel. „Ohne die Grünen gäbe es in Deutschland gar keine ökologische Modernisierung“, betonte Kuhn. „Die SPD versteckt sich hinter einem vergangenheitsbezogenen Bündnis von Kapital und Arbeit.“

Auch bei den Fachleuten der SPD ist der Kompromiss nicht unumstritten. Der SPD- Energieexperte Ulrich Kelber sagte dem Tagesspiegel: „Mein Kompromiss ist das nicht. Der Klimaschutz ist der Verlierer.“ Er befürchtet, dass der Kompromiss sowohl für die ostdeutschen Energieversorger als auch für die Betreiber von Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen, in denen sehr effizient Strom und Wärme erzeugt wird, Nachteile bringen könnte. Kelber sagte weiter: „Ich bin gespannt auf die Vorschläge, wie der Verkehr und die privaten Haushalte die zusätzlichen Minderungen erbringen sollen.“ Die grüne Energieexpertin Michaele Hustedt forderte eine Erhöhung der Mineralölsteuer.

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