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Politik: Die Konjunktur rollt auf vier Rädern

AUTOSCHAU IAA

Von Alfons Frese

Am Steuer eingeschlafen? Nicht so schlimm. Das Auto merkt das und weckt den Fahrer mit einer Art Sirene. Angst vor Nachtfahrten oder dichtem Nebel? Das muss nicht sein. Vorn am Auto gibt es bald ein System namens Night Vision, das erkennt Hindernisse im Dunkeln und zeigt sie dem Fahrer auf der Windschutzscheibe. Und Auffahrunfälle kommen auch nicht mehr vor, weil das Fahrzeug selbstständig bremst, wenn der Vordermann zu nahe kommt. Vielleicht ist das Auto irgendwann so schlau, dass Unfälle unmöglich werden. Jedenfalls werden die Autos immer sicherer.

Seit 1970 sank die Zahl der Verkehrstoten in Deutschland um zwei Drittel. Obwohl immer mehr Autos immer schneller unterwegs sind. Und sparsamer und sauberer. Im Schnitt schluckt ein Pkw heute gut ein Fünftel weniger als 1990, entsprechend kommen auch weniger umweltschädliche Stoffe aus dem Auspuff. Das Auto gilt nicht mehr als Umweltschädiger, sondern steht unumstritten an der Spitze der Verkehrsmittel. Auch deshalb hat die Industrie ihre Internationale Autoausstellung IAA unter das Motto „Faszination Auto“ gestellt.

„Faszination Mittelklasse“ müsste man beinahe sagen. Denn im Mittelpunkt der wichtigsten Automesse der Welt stehen der neue VW Golf und der Opel Astra, der Smart Forfour und der Mazda 3. Autos der Mittelklasse, die für die Mehrheit der 850000 erwarteten IAA-Besucher in Frage kommen. Der Audi RSR mit 500 PS für 130 000 Euro wird vor allem zum Angucken gezeigt; sowieso der Mercedes SLR, der aus Kohlefaser besteht und 350000 Euro kostet. Tolle Autos, die vor allem Männer träumen lassen. Und Emotionen schüren sollen. „Das Automobil ist nicht Hardware, sondern Heartware“, hat einmal der Strategievorstand von Volkswagen gesagt. Deshalb wurde zum Beispiel in Wolfsburg für eine Milliarde Mark ein Erlebnispark namens Autostadt gebaut, der von Millionen besucht wird. Eben Faszination Auto.

Doch wer vom Porsche 911 Turbo Cabrio oder vom Maserati Quattraporte träumt, der muss nicht zwingend durchgeknallt sein. Im Gegenteil, die Deutschen haben inzwischen ein erstaunlich pragmatisches Verhältnis zum Auto. Praktikabilität geht beim Autokauf vor Emotionalität, die Kaufentscheidung wird maßgeblich vom Preis, dem Verbrauch und Platzangebot geprägt; die Stärke des Motors ist dagegen gar nicht so wichtig, hat jetzt eine Emnid-Umfrage ergeben. Wer hätte das gedacht: Das „liebste Kind“ wird vor allem nach funktionalen Kriterien angeschafft.

Wenn überhaupt. Seit vier Jahren sinken die Zulassungszahlen. Im Schnitt sind die 45 Millionen Autos, die auf deutschen Straßen fahren, knapp acht Jahre alt. Die von der Wirtschaftskrise und der Politik verängstigten und verwirrten Deutschen scheuen den Autokauf. Deshalb sind die Hoffnungen jetzt so groß, dass die IAA mit den neuen Massenmodellen Golf und Astra die Freude am Konsum belebt. Das sollte schon vor zwei Jahren, bei der letzten IAA passieren. Dann kam der Terror des 11. September.

Dennoch ist keine andere Branche so gut durch die Flaute der vergangenen Jahre gekommen wie die Autoindustrie. Ohne die Fahrzeughersteller und ihre Zulieferer steckte unsere Wirtschaft völlig im Elend. Rund ein Viertel der gesamten Forschungsinvestitionen bringt bei uns die Autoindustrie auf. Sieben von zehn in heimischen Werken gebaute Autos werden im Ausland verkauft. Das Image von Mercedes, BMW, VW und Porsche ist in aller Welt hervorragend. Technologisch sind sie an der Spitze. Und sie investieren – auch in Deutschland. Obwohl es keine andere Branche gibt, in der die IG Metall mehr Mitglieder hat. Die böse IG Metall, die doch dem Standort Deutschland mit ihrer Tarifpolitik so geschadet hat. Wie passt das zusammen?

In der Autoindustrie funktioniert noch das Modell Deutschland: Die Kooperation zwischen Unternehmen, Belegschaft und Gewerkschaft sichert den Erfolg auf dem Weltmarkt wegen der hohen Innovationskraft am Heimatstandort. Natürlich hat sich die IG Metall bewegt. Insbesondere die Regelungen über flexible Arbeit haben die neuen Werke in Leipzig, Dresden und Wolfsburg ermöglicht. Zehntausende neuer Arbeitsplätze entstehen. Das ist wichtig auch für die Hersteller, denn Autos werden bekanntermaßen nicht von Autos gekauft.

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