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Politik: Die kultivierte Verachtung: Schröder, Fischer und die Parteien (Analyse)

Gerhard Schröder und Joschka Fischer sind die ersten Parteiführer, die davon überzeugt sind: Wahlsieger bin ich, nicht die Partei. Nicht zu Unrecht.

Gerhard Schröder und Joschka Fischer sind die ersten Parteiführer, die davon überzeugt sind: Wahlsieger bin ich, nicht die Partei. Nicht zu Unrecht. Fischer hat die Grünen durch unermüdlichen Einsatz vor dem Abgrund gerettet. Schröder wurde durch die niedersächsische Wählerentscheidung Kandidat und wegen seiner spürbaren Distanz zur SPD Bundeskanzler. Er hat es wirklich weit gebracht: Alle Sozialdemokraten seiner Generation haben mit gelinder Verachtung auf ihre brave, biedere Partei herabgeblickt, aber Gerhard Schröder am meisten. Und der ist heute ihr Vorsitzender.

Joschka Fischer hat in den Tagen vor der sächsischen Landtagswahl über das normale Maß hinaus gezeigt, wie sehr seine Partei schätzt. Nämlich so gering, dass er nicht einmal den Schein gewahrt wissen möchte. Er hat Gunda Röstel nicht unter dem Tisch, sondern auf offener Bühne getreten und will es hernach nicht einmal gewesen sein. Vielleicht wird er irgendwann nicht nur mehr der heimliche, sondern auch der offizielle Vorsitzende der Grünen sein.

Zwei Parteiverächter also an der Spitze von SPD und Grünen und dazu eine Entsprechung bei den Parteien selbst: ein trauriger Mangel an Selbstachtung. Stumm hat es die SPD hingenommen, als ihr vorheriger Vorsitzender einfach alles hingeworfen hat. Kein Parteivorstand hat Rechenschaft von Lafontaine gefordert. Das Präsidium hat vorsichtshalber erst getagt, als im Kanzleramt die Entscheidung über die Nachfolge getroffen war.

Die Grünen wiederum können schwer den Eindruck widerlegen, dass sie ihren Joschka zwar gern ärgern, aber am Ende immer machen, was er will. Wegen der Macht. Man glaubt an innere Überzeugung bei der Wende in der Außenpolitik nur schwer. Die feste sozialdemokratische Front hinter Kanzler und Sparkurs ist geradezu ein Dementi der Tugend Geschlossenheit. Denn man fühlt aus Angst geborene Disziplin, wo Überzeugung und ahnt Nibelungentreue, wo Loyalität herrschen sollte. Die Angst gilt dem Machtverlust. Die grüne Partei wiederum lässt Fischer mit seinen Parteifreunden wie mit Bällen jonglieren und mit den möglichen neuen Posten, die für sie in Frage kommen: Künast, Kuhn, Schulz, Bütikofer. Stellvertreter, Generalsekretär, Wahlkampfleiter.

Politik ist eben ein schmutziges Geschäft und die neue Regierung auch nicht besser als die alte? Politik ist ein menschliches Geschäft, inklusive der Kämpfe um Posten, Einfluss und Macht. Aber eben auch inklusive ihres Ziels, dass Menschen vernünftig zusammenleben sollten. Deshalb sind Ehrgeiz und Gemeinsinn charakteristisch für Menschen, die sich in Parteien organisieren. Die Beziehung dieser Eigenschaften ist nicht harmonisch, aber nötig sind beide. Für die vage Aussicht, irgendwann Volkshochschul-Leiter zu werden, geht niemand in eine dieser schwerfälligen Vereinigungen. Sie sind deshalb ja auch etwas aus der Mode gekommen. Fast gilt heutzutage als beschränkt, wer meint, er könne durch politisches Engagement zur Verbesserung des menschlichen Lebens beitragen.

Die Parteien sind wie lebendige Organismen, die Gesellschaft im Ausschnitt-Format. Zwischen ihnen und ihren Führungen wird vorgemacht, was zwischen Regierung und Regierten, Politik und Gesellschaft geschehen kann, soll, muss. Was heisst es da, wenn Schröder und Fischer, SPD und Grüne den Mangel an Achtung und Selbstachtung kultivieren? Nichts Gutes. Wo nur noch Ehrgeiz gilt, glaubt man den Gemeinsinn einfach nicht.

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