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Schuldenlast: Die Länder müssen sparen - aber wie?

Nicht nur der Bund will seine Schuldenlast reduzieren, auch die Länder müssen sparen. Eine Bestandsaufnahme.

„Striktes Sparen und solides Haushalten sind alternativlos.“ Sagt Wolfgang Böhmer, Regierungschef in Sachsen-Anhalt (CDU). Ein Satz, den derzeit jeder Ministerpräsident und jeder Finanzminister bedenkenlos unterschreibt. Die Landeskabinette müssen sich in den nächsten Wochen zusammenraufen, um ihre Haushalte für das nächste Jahr auf einigermaßen stabile Beine zu stellen. Noch nie war die Lage so angespannt: geringere Steuereinnahmen als geplant, eine höhere Neuverschuldung als erwartet. Und dann wollen sie alle die 2009 beschlossene Schuldengrenze des Grundgesetzes einhalten, deren erste Wirkungen 2011 einsetzen.

Wie sieht die Situation in den Ländern aus?

Niemals zuvor in der Geschichte der Bundesrepublik bestand zwischen den Ländern eine solche Diskrepanz. Kurz gesagt gibt es drei Gruppen: die soliden, die unsoliden und die notleidenden. Wobei ihre Haushaltslage nicht allein von der Landespolitik abhängt, sondern auch durch die Bundesgesetzgebung (vor allem bei den Soziallasten) und die wirtschaftliche Struktur der jeweiligen Region bestimmt wird. Aber in der Hauptsache ist die Landespolitik verantwortlich. Ansonsten dürfte Sachsen nicht bei den soliden Ländern auftauchen. Tut es aber, zusammen mit Bayern und Baden-Württemberg.

Welche Schulden lasten auf den Ländern?

Bayern ist am besten dran, Berlin nach wie vor am schlechtesten, nimmt man das regionale Bruttoinlandsprodukt (BIP) als Maßstab und nicht die Bevölkerungszahl (siehe die Tabelle der Pro-Kopf- Verschuldung, in der Bremen hinter der Bundeshauptstadt liegt). Aber die regionale Wirtschaftskraft bestimmt mit darüber, ob und wie schnell ein Land in der Lage ist, die Schuldengrenze einzuhalten. Denn ein wenig stärker bleiben die Starken trotz aller föderaler Umverteilungsmechanismen schon. Die Schuldenlast Bayerns (und zwar die Landesschulden plus die der Kommunen) beträgt nur zehn Prozent des eigenen BIP, in Sachsen sind es 13,2, in Baden-Württemberg 17,1 Prozent. Zählte man den rechnerischen Anteil an der Bundesschuld hinzu, dann erfüllten diese drei Länder Ende 2009 sogar noch das Euro-Kriterium von 60 Prozent Schuldenlast gemessen am BIP.

Für die noch einigermaßen soliden Länder Hessen (21,9 Prozent) und Hamburg (28,3 Prozent) gilt das schon nicht mehr. Als eher unsolide können Niedersachsen (31,3 Prozent) und Nordrhein-Westfalen (32,9 Prozent) gelten. Die restlichen Länder sind so stark verschuldet, dass sie schlechter dastehen als der Schnitt im Euroraum. Das reicht von Brandenburg mit gut 36,6 Prozent über Rheinland-Pfalz (39 Prozent) und das Saarland (45,6 Prozent) bis nach Berlin mit 66,4 Prozent. Nimmt man die Bundesschuld anteilig hinzu, lebt man in der deutschen Hauptstadt mit 108,2 Prozent Verschuldung in griechischen Verhältnissen.

Wie sehen die Landesetats strukturell aus?

Die Landeshaushalte sind – anders als die des Bundes – sehr unflexibel. Der weitaus größte Teil der Ausgaben ist schon festgelegt, bevor die Landtage mit den Haushaltsberatungen beginnen. Der größte Brocken sind die Personalausgaben. Sie liegen in den West-Ländern zwischen 35 und 40 Prozent eines Etats (siehe Tabelle). Das ist weit mehr als beim Bund, denn die Länder sind verantwortlich für die Schulen, Polizei, Steuerbehörden und sonstige Verwaltungen. Und sie managen einen Großteil der staatlichen Investitionen. Die ohnehin schon hohen Personalkosten werden in den nächsten Jahren noch wachsen. Denn die Pensionslasten für die Beamten nehmen stetig zu, wegen längerer Lebensdauer der Bezieher und weil jetzt die „starken Beamtenjahrgänge“ der siebziger Jahre in Pension gehen. In den Ost-Ländern sehen die Zahlen – Personalkostenanteil zwischen 20 und 25 Prozent – besser aus. Das liegt aber vor allem daran, dass diese Länder, um aufholen zu können, immer noch erheblich mehr Geld zur Verfügung haben als der Westen. Aktuell sind es knapp 30 Prozent, erst 2019 wird der Überhang völlig abgeschmolzen sein.

Über das gute Drittel der Personalkosten hinaus ist ein Landesetat auch durch gesetzliche Zahlungsverpflichtungen wie die Ausbildungsförderung oder das Wohngeld weitgehend festgelegt. Dazu kommt – und zwar jedes Jahr mehr – der Haushaltsposten namens Zinszahlungen. Ein weiterer Teil der Mittel ist durch langfristig geplante Investitionsprojekte gebunden, etwa im Straßen- und Hochbau. Krankenhäuser müssen finanziert sein, Schulen unterhalten werden, Gerichte funktionieren. Neben all den Fixkosten bleibt nur geringer Spielraum für neue Projekte, zusätzliche Maßnahmen – oder die Schuldentilgung.

Wo können die Länder sparen?

Im Kleinen wie im Großen. Beim Kleinen fangen sie an, und dabei bleibt es meist auch. Das sieht man derzeit in Schleswig- Holstein, wo die Landesregierung angesichts einer hohen Verschuldung begonnen hat, Streichungen zu verkünden. Unter anderem trifft es das Blindengeld, Zuschüsse für Kulturelles und die Volkshochschulen, das für die Eltern kostenlose dritte Kita-Jahr. Was dann irgendwann folgt, sind Investitionen in die Infrastruktur: Straßen, Brücken, Deiche, Gebäude. Wobei die Politik gern an prestigeträchtigen Riesenprojekten festhält (wie dem umstrittenen Neubau des Stuttgarter Hauptbahnhofs) und auch hier gern im Kleinen spart. Doch eigentlich müssten die Länder an ihre großen Töpfe ran. Also nicht zuletzt an die Personalkosten. Seit der Föderalismusreform 2005 haben sie dazu auch die Möglichkeit: Das Dienstrecht ist wieder alleinige Landessache.

Kann man auch bei der Bildung sparen?

Warum nicht? Bildungskosten sind in großem Umfang reine Personalkosten. Zwar spüren die Bildungspolitiker derzeit Rückenwind, weil sie sich auf das Ziel der Bildungsrepublik berufen können, die Bundeskanzlerin Angela Merkel 2008 ausgerufen hat. Die Kultusministerkonferenz forderte in der Vorwoche sogar, die Mittel für Schulen und Hochschulen zu erhöhen. Dem steht allerdings die demografische Tatsache entgegen, dass die Zahl der Kinder sinkt. Warum für weniger Kinder mehr Geld ausgegeben werden soll, ist angesichts der prekären Finanzlage zumindest diskussionswürdig. In Baden-Württemberg zum Beispiel entfällt rund die Hälfte der Personalkosten auf den Bereich Kultus, ein Achtel auf die Hochschulen. Der öffentliche Dienst hat in den vergangenen Jahren zwar auch keine großen Einkommenszuwächse mehr erlebt. Aber er kam zuletzt besser weg als die Angestellten in der Privatwirtschaft. 2009 stiegen die Einkommen im öffentlichen Dienst um mehr als drei Prozent, in Industrie und Dienstleistungen nur um 0,6 Prozent. Beim Staat gab es auch keine Kurzarbeit. Lehrer und Professoren haben recht sichere Arbeitsplätze. Insofern dürfte die Spardebatte früher oder später bei ihnen anlangen. Oder bei den Pensionären, deren Einkommen (sieht man von kleinen Beamten wie den Polizisten ab) nicht ganz mager ausfällt. Und Pensionäre können weder streiken noch Dienst nach Vorschrift schieben.

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