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Politik: Die Länder wittern zentralistischen Eifer

Ministerpräsidenten kritisieren Föderalismuspläne des Bundes

Von Albert Funk

„Der Zeitplan ist eng, das könnte den nötigen Druck bringen", sagt Bundesjustizministerin Brigitte Zypries. Gemeint ist der Fahrplan der seit Jahren debattierten Föderalismusreform, die die Verkrustungen im Bund-Länder-Verhältnis beseitigen, Entscheidungswege straffen und Bürokratie abbauen soll. Bis Jahresende soll sie unter Dach und Fach sein, es wäre die größte bundesstaatliche Reform seit 1949. Doch das Konzept aus Berlin, das Zypries jetzt vorstellte, und das der Länder, das seit Ende März vorliegt, gehen in wesentlichen Punkten auseinander. Dem Bund wollen die Länder zu viel Eigenständigkeit, die Länder wittern zentralistischen Eifer in Berlin. „Not amused", lautete daher die Reaktion der Länder.

Der heftigste Streit dürfte sich an einem Wunsch der Ministerpräsidenten entzünden, der sich hinter dem Begriff „Zugriffsrecht“ verbirgt: Die Länder wollen auf einigen Gebieten, die im Grundgesetz im Artikel 74 unter der Rubrik „konkurrierende Gesetzgebung“ aufgezählt sind, vom Bundesrecht abweichen dürfen – nach eigenem Gusto. Das heißt, sie können Bundesrecht ganz, gar nicht oder nur zum Teil übernehmen und ansonsten machen, was ihre Parlamente für richtig halten. Darunter fielen die Umweltgesetzgebung, die Wissenschaftsförderung oder die Hilfen für die Landwirtschaft. Berlin lehnt das ab. „Es muss in geordneten Bahnen laufen. Zugriffsrechte verschleiern die Zuständigkeiten“, sagt Zypries.

Einig sind sich beide Seiten, dass die Rahmengesetzgebung des Bundes fallen soll. Das beträfe unter anderem das Hochschulwesen oder das Dienstrecht der Beamten. Die Länder wollen dies unter die Rubrik Zugriffsrecht einordnen. Eine Kernforderung des Bundes betrifft die zwischen Bund und Ländern nicht klar geregelte Umsetzung von EU-Recht. Die Reform, so Zypries, müsse die „Europatauglichkeit“ Deutschlands stärken. Daher will der Bund die alleinige Kompetenz beim Wasserrecht, beim Verbraucherschutz, beim Naturschutz und bei der Landschaftsplanung. Dazu wären die Länder mit Ausnahme des Verbraucherschutzes bereit, wenn sie hier Zugriffsrecht bekämen. Raumplanung, so die Ländersicht, werde am besten in den Regionen gemacht. Statt eines Zugriffsrechts will der Bund Öffnungsklauseln zugestehen, die ein Abweichen erlauben – es wäre aber, so heißt es in den Ländern, nur ein Abweichen nach Maßgabe des Bundes.

Nur vordergründig ist man sich in dem Anliegen, die unlängst vom Bundesrechnungshof als ineffizient bezeichneten Mischfinanzierungen und Gemeinschaftsaufgaben abzuschaffen. Der Bund will den Hochschulbau ganz in Länderzuständigkeit geben und auch für finanziellen Ausgleich sorgen – das ist im Sinne der Länder. Doch bei der Hochschulförderung will er weiter mitreden, so Zypries – und zwar mit Projekten „inhaltlicher Art", was den Ländern kaum schmecken wird. Damit würde ihr großes Heiligtum, die Hoheit in der Bildungspolitik, durchlöchert. Auch von einer nationalen Bildungsplanung will Berlin nicht lassen. Bundesbildungsministerin Edelgard Bulmahn (SPD) sagte am Sonntag, angesichts der mit den Pisa- und Iglu-Schulstudien offenkundig gewordenen Mängel des Schulsystems sei eine gemeinsam von Bund und Ländern getragene Bildungsreform „nötiger denn je“. Dazu müsse die Bildungsplanung bei der Föderalismus-Reform „einen verpflichtenden Verfassungsauftrag“ erhalten und rechtlich verbindlicher gestaltet werden. Dies gelte insbesondere bundesweit „verbindliche Qualitätsstandards“ in Schulen und Hochschulen.

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