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Die Linke: Abbau West

Die Linkspartei im Westen streitet sich. Mitglieder laufen davon. Und in Hessen bangt sie um den Einzug in den Landtag bei der Neuwahl am Sonntag. Wie steht es um die Linke in den westdeutschen Bundesländern?

Von Matthias Meisner

Die Unruhe im hessischen Landesverband der Linkspartei gibt nur einen Vorgeschmack. Erbarmungslos sei der Zustand der Linken in vielen der alten Bundesländer, klagen die Reformer in der Partei, die im Westen wenig Einfluss haben. Dass Genossen in den vergangenen Tagen den hessischen Landesverband verließen und zum Abgang ein „Panorama des Elends“ beschrieben, wird in der Parteiführung als ärgerlich angesehen. Doch selbst Bundesgeschäftsführer Dietmar Bartsch gibt zu, dass die Probleme in anderen Landesverbänden noch deutlich größer sind.

Zu den Sorgenkindern rechnet die Bundespartei die Linke in Rheinland-Pfalz. Geführt wird der Verband vom Bundestagsabgeordneten Alexander Ulrich, auf seinen autoritären Führungsstil werden die meisten Konflikte zurückgeführt. Heidi Racké hatte die zerrissene Linke bis zum Herbst gemeinsam mit Ulrich geführt. Ihren Verzicht auf eine neue Bewerbung begründete sie mit Polizeieinsätzen bei Kreisversammlungen, Parteiausschlussverfahren und „gegenseitigem Verklagen eigener Mit glieder vor den Gerichten“. Beschämend nannte Racké den Zustand der Partei in Rheinland-Pfalz und blieb damit in der Wortwahl noch diplomatischer als der ehemalige Kreisvorsitzende der Links partei in Ludwigshafen, Wolfram Sondermann, der von Ulrich aus der Partei gedrängt worden war und deshalb sogar in einen Hungerstreik trat. Der Mainzer Landeschef habe aus den Linken „eine weit gehend apolitische Zockerbude um Mandate“ gemacht, stellte Sondermann fest.

Kritik an der Parteiführung

Verbunden wird solch harsche Kritik regelmäßig mit Vorwürfen an die Parteiführung um Oskar Lafontaine und Lothar Bisky, die „unverdrossen“ falsche Leute stütze, die Probleme ignoriere oder schönrede. Auch ostdeutsche Funktionäre äußern sich erschrocken über die Schwierigkeiten in den Westländern. „Unsere Partei lässt den Aufbau im Westen weiter einfach liegen“, rügen sie – ein Seitenhieb auch gegen den baden-württembergischen Funktionär Ulrich Maurer, einen ehemaligen SPD-Landespolitiker, der als Beauftragter für den Westen benannt worden ist. Lafontaine selbst spricht gern von „Kinderkrankheiten“ einer neuen Partei. Selbst wenn „da oder dort“ nachgearbeitet werden müsse, sei die Entwicklung der Partei insgesamt „über Plan“.

Schleswig-Holstein kann Lafontaine nicht gemeint haben. Auch hier gibt es seit Monaten bizarre Grabenkämpfe, die mit inhaltlichen Auseinandersetzungen wenig tun haben. Im Mittelpunkt steht ebenfalls ein Bundestagsabgeordneter, Lutz Heilmann, gleich 2005 aufgefallen, weil er eine frühere Tätigkeit bei der Haupt abteilung Personenschutz der Stasi bei seiner Kandidatur verschwiegen hatte. Mit innerparteilichen Kontrahenten geht Heilmann nicht zimperlich um. Seine An hänger lancierten die Information, der Lübecker Parteichef Ragnar Lüttke habe Stalin-Partys ausgerichtet. Die Gegner Heilmanns streuten anschließend das Gerücht, unter dem Telefonanschluss des Online-Sexshops „Flutsch-Express“ mel de sich Lutz Heilmann. Richtig beweisen ließ sich weder das eine noch das andere. Aber Heilmann wiederum sorgte für Schlagzeilen, weil er nach unangenehmen Einträgen im Internetlexikon www.wikipedia.de gleich für ein paar Tage die ganze Website sperren ließ. Es ist kein Zufall, dass nun der Vorschlag kommt, statt Heilmann solle sich in Schleswig-Holstein der Rechtspolitiker Wolfgang Neskovic für den nächsten Bundestag bewerben. Ein Mitstreiter Heilmanns warf Lafontaine und Bisky in einem offenen Brief vor, die „großen Probleme in Schleswig-Holstein und den anderen west lichen Bundesländern“ auf die leich te Schulter zu nehmen. Die Querelen seien „nicht im Entferntesten beigelegt“.

Im Osten längst Volkspartei

Lafontaine setzt darauf, dass sich die Konflikte im Westen mit neuen Mitgliedern entschärfen lassen. Im Saarland, einem der disziplinierten Landesverbände im Westen, hat er bereits rund 3000 Genossen hinter sich versammelt, das ist nach seinen Worten die Mitgliederdichte des Ostens, gemessen an der Einwohnerzahl. Der Nettozuwachs der Mitglieder von rund 5000 auf 76 000 im vergangenen Jahr geht tatsächlich maßgeblich auf Eintritte im Westen zurück. Doch auch Lafontaine weiß, dass von den rund 200 000 Mitgliedern, die die SPD in den vergangenen zehn Jahren verloren hat, nur ein kleiner Teil bei den Linken gelandet ist. Bundestagsfraktionschef Gregor Gysi hat schon vor einiger Zeit darauf hingewiesen, dass die Linke, im Osten längst Volkspartei, im Westen weiter mit vielen Spinnern und Sektierern zu kämpfen habe.

Als sicher gilt, dass die West-Linke Lafontaine & Co. noch Probleme bereiten wird – und das nicht nur, weil sie den Einzug in Landtage verfehlt, wie es in Hessen droht. Auch Erfolge könnten der Führung zu schaffen machen. In Nordrhein-Westfalen beispielsweise will die Linke bei der nächsten Bundestagswahl ihren Stimm anteil von 5,2 Prozent 2005 deutlich ausbauen, der Landesverband will statt bisher sieben künftig doppelt so viele Abgeordnete in den Bundestag schicken. Nur ist der Landesvorstand von der Antikapitalistischen Linken dominiert, für die sich auch Sahra Wagenknecht von der Kommunistischen Plattform engagiert. Werden Linksradikale also in der künftig stärksten Landesgruppe der Fraktion das Sagen haben? Auch dieses „ganz desaströse Bild“ malt sich ein Skeptiker aus.

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