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Sahra Wagenknecht und Katja Kipping machen Wahlkampf in Hannover.

© dpa

Die Linke: Gedankenspiele und Wunschszenarien

Die Linke stellt sich für die Bundestagswahl auf – auch als potenzielle Partnerin für Rot-Grün. Sahra Wagenknecht soll dabei eine wichtige Rolle spielen.

Von Matthias Meisner

Gregor Gysi gibt sich begeistert. „Eine prima Idee“, lobt der Fraktionschef der Linken im Bundestag das Angebot seiner Stellvertreterin Sahra Wagenknecht, nach der Niedersachsen-Wahl die Delegation zu leiten, die für den Fall der Fälle mit SPD und Grünen über eine Koalition verhandeln würde. So zumindest schildern es Teilnehmer der Klausurtagung der Bundestagsfraktion, die am Donnerstag in Hannover begonnen hat. Die Abgeordneten wiederum loben einen „ruhigen, entschlossenen und solidarischen“ Vorsitzenden. Gysi habe angekündigt, er wolle seine „integrative Rolle“ künftig noch stärker als bisher betonen, hieß es. Er warnte davor, sich über die Frage der Linken-Spitzenkandidatur zum Bundestagswahlkampf zu zerstreiten.

Zwei Tage lang wollen die 75 Abgeordneten beraten. Sie greifen das Mieten- Konzept der SPD an, wollen eigene Pläne für mehr Steuer- und Finanzgerechtigkeit vorlegen. Und selbstverständlich wollen sie auch die Genossen in Niedersachsen unterstützen, auf deren Wahlerfolg am 20. Januar seit Monaten auch in der Partei fast keiner mehr setzt.

Dennoch interessiert sich die Landespresse für die Linken. Die betonen, 2008 in einer Umfrage vor der Landtagswahl auch auf drei Prozent geschätzt worden zu sein. Man landete schließlich bei 7,1 Prozent. Nun nimmt Wagenknecht hin, dass sogar über ihre Berufung als Landesministerin spekuliert wird. Sie betont allerdings, dass Ministerposten erst nach „erfolgreichem Abschluss“ von Verhandlungen verteilt werden könnten, „das ist jetzt kein Thema für mich“.

Auch der hessische Bundestagsabgeordnete Wolfgang Gehrcke ist zufrieden. „Es ist positiv, dass dokumentiert wird, dass auch der linke Flügel Regierungsbeteiligungen nicht grundsätzlich ablehnt.“ Gehrcke selbst gehört zu diesem Flügel. Nicht nur er wünscht sich ähnliche Diskussionen im Bund, wo sich Rot-Grün im Herbst einer Mehrheit nicht sicher sein kann. Das linke Wunschszenario: SPD- Kanzlerkandidat Peer Steinbrück gibt auf halber Strecke auf. Die Sozialdemokraten verpflichten NRW-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft, die ihre frühere Minderheitsregierung, wenigstens ab und an, von den Linken hat tolerieren lassen. Wagenknecht spricht davon, im Bund müssten „bestimmte Blockadehaltungen“ überdacht werden.

Die Linke will ihren Vorschlag für eine Spitzenkandidatur am 21. Januar im Parteivorstand unterbreiten, gleich nach der Niedersachsen-Wahl. Dass ein Erfolg in Hannover Wagenknecht stärken würde, steht außer Frage. Ohnehin bestreitet die Führung seit Tagen, dass es auf eine Solo-Kandidatur von Gysi hinauslaufe. Dies sei eine „falsche Interpretation“, sagt der Parteivorsitzende Bernd Riexinger. Er twitterte, die Zeit „einsamer Häuptlinge“ sei vorbei.

Voraussichtlich werden zu einem Wahlkampf-Spitzenteam „Gysi plus“ mindestens auch noch Wagenknecht und Parteichefin Katja Kipping gehören. Riexinger bewirbt sich nicht um ein Bundestagsmandat. Der ostdeutsche Reformer Dietmar Bartsch pokert noch. Wie Wagenknecht gilt er als einer der potenziellen Nachfolger Gysis im Fraktionsvorsitz. Gegen eine Teamlösung für den Wahlkampf ätzt er mit dem Argument, es handele sich doch nur um eine „innerparteiliche Befriedungsmaßnahme“. Kipping, die seit Wochen mit Riexinger das Personalpaket schnürt, ist genervt. Dem Tagesspiegel sagte sie, der Vorwurf der Befriedung sei „befremdlich“, denn „schließlich sind wir ja nicht als Leiter einer Militärabteilung gewählt worden“.

Andere finden es „schlau“, dass Bartsch – im vorigen Juni auf dem Göttinger Bundesparteitag bei den Wahlen zum Vorsitzenden unterlegen – auf „gewisse Distanz“ gegangen ist zum diskutierten Personalpaket für den Wahlkampf. „Ich hätte das an seiner Stelle auch so gemacht“, sagt der Parteilinke Gehrcke. Ziemlich sicher ist, dass nach der Bundestagswahl die Frage des Fraktionsvorsitzes noch einmal aufgerufen wird. Gut denkbar ist, dass der dann 65-jährige Gysi noch eine Weile die Fraktion alleine führt, weil sich die Genossen nicht auf das Duo Bartsch–Wagenknecht einigen können. Und die beiden untereinander auch nicht.

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