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Die LInke: Pate Lafontaine

Auch Frankreich hat jetzt eine Partei Die Linke – zur Europawahl will sie mit Kommunisten kooperieren.

In der Sporthalle auf der Ile-Saint-Denis werden wieder rote Fahnen geschwenkt. Früher hielt die Kommunistische Partei Frankreichs in dem zugigen Betonbau auf einer Seine-Insel in Saint-Ouen bei Paris ihre Kongresse ab. Doch das ist viele Jahre her. Für die paar Delegierten, die die Partei zuletzt noch aufbrachte, war das riesige Halbrund am Ende zu groß. Am Samstag aber war es voll besetzt. Zweitausend, vielleicht dreitausend Menschen drängen sich in der Halle. Sie sind dem Aufruf zur Gründung des „Parti de Gauche“ gefolgt, einer „Partei der Linken“, die zwei aus der Sozialistischen Partei ausgetretene Parlamentarier, der Senator Jean-Luc Mélanchon und der Deputierte Marc Dolez, aus der Taufe heben wollen. Beide hatten sie die Türen hinter sich zugeknallt, als Ségolène Royal bei einer Urabstimmung für ihren Programmbeitrag zum Parteitag in Reims mit 29 Prozent am besten abgeschnitten hatte.

„Gegen die Rechte und den Kapitalismus eine Linke ohne Komplexe“ und „Endlich ein demokratisches und soziales Europa“ heißt es auf Spruchbändern rechts und links der Bühne. Dort sitzen die Initiatoren Mélenchon und Dolez in der ersten Reihe, in ihrer Mitte Oskar Lafontaine. Der Co-Chef der deutschen Partei Die Linke, den Mélenchon sozusagen als Paten zum Gründungsakt geladen hatte, ist der Star dieses Nachmittags und er bleibt den „lieben Freunden und den lieben Genossen“ nicht schuldig. „Ich bin Deutscher“, sagt er, „aber ich verhehle nicht, dass meine Sympathien immer bei den französischen Sozialisten waren.“ Doch diese seien heute so wenig sozialistisch wie die SPD. Eine Konstante der sozialistischen Parteien in Westeuropa sei das Auseinanderfallen von Programm und Regierungspolitik. „Wie Ballast“ hätten die Parteien ihre Prinzipien fallen gelassen. „Mit dieser der fatalen Tradition der faulen Kompromisse müssen wir brechen“, sagt er. Die Linke komme in Deutschland auf 13 Prozent; das könne die neue Linke in Frankreich auch erreichen. „Nichts ist so effizient wie eine Idee, die ihre Epoche findet“, ruft er.

Fast drei Stunden hat das Treffen bis dahin schon gedauert. Aus der Sozialistischen Partei ausgeschiedene Mandatsträger, Globalisierungskritiker, Gewerkschafter, ein Wirtschaftsprofessor und ein Regisseur haben gesprochen. Die Botschafterin Boliviens hat ein Grußwort ihres Präsidenten Evo Morales verlesen, der der neuen Partei seinen „Enthusiasmus“ für ihren „Kampf gegen den Kapitalismus“ bezeugt.

Ein Programm für „la Gauche“ gibt es noch nicht. Aber woraus es vielleicht schöpfen wird, lässt sich an dem Büchertisch ersehen, den Aktivisten in der Halle aufgebaut haben. Das Kommunistische Manifest liegt aus, Karl Marx’ Schrift „Der Klassenkampf in Frankreich“, Briefe Rosa Luxemburgs und auch ein Werk aus der Feder von Jean-Luc Mélenchon: „Auf der Suche nach der Linken“. Wem der darin gebotene Stoff zu schwer ist, kann sich auch einem roten Anstecker mit der Aufschrift „La Gauche“ für die kommenden Kämpfe rüsten.

Während sich dies in St. Ouen abspielt, bahnt sich wenige Kilometer entfernt im Pariser Vorort Suresnes eine andere Abspaltung von der Sozialistischen Partei an. Dorthin hatte der Staatssekretär Jean- Marie Bockel, ein früher Sozialist, der sich 2007 von Präsident Nicolas Sarkozy ins Regierungslager locken ließ, Freunde zur Gründung einer neuen Partei „Moderne Linke“ gerufen. Tausend Mitglieder soll sie schon zählen. Als Gastredner trat Premierminister Francois Fillon auf. Präsident Sarkozy sandte ein Grußwort.

Mehr als diese rechte Blockflötenpartei müssen Frankreichs Sozialisten freilich die Konkurrenz auf ihrer Linken fürchten. Bis zum eigentlichen Gründungsparteitag im Februar 2009 will Mélanchon in Gesprächen mit Kommunisten und Trotzkisten die Möglichkeiten einer gemeinsamen Front ausloten. Erster Test soll die bevorstehende Europawahl sein.

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