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Die Linke: Regenwald vor Schlüsselindustrien

Bundesparteitag der Linken: Im Wahlkampf entschärft die Parteiführung den Richtungsstreit mit unstrittigen Themen.

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Berlin - Sieben Mal haben sie es versucht, in immer neuen Varianten: Die Schlüsselindustrien in Deutschland müssten verstaatlicht und der „grenzenlosen Profitgier der Märkte“ entzogen werden, forderten die Kämpfer des linken Flügels auf dem Wahlparteitag der Linken in Berlin. Doch die Schlacht wurde vertagt: Eine Mehrheit folgte dem Appell, diese schwierigen Fragen erst in der Debatte über das Grundsatzprogramm nach den Bundestagswahlen zu klären. Geschlossenheit lautete die Vorgabe, mit der Oskar Lafontaine und Gregor Gysi ihre Partei in den hundert Tagen bis zur Wahl aus dem Stimmungstief holen wollen.

Man könne nicht „alles Mögliche verstaatlichen, ohne ein Konzept dafür zu haben“, mahnte Bodo Ramelow, Spitzenkandidat für die Landtagswahl in Thüringen. Was die Linke verstaatlichen wolle, solle sie in der Gesamtprogrammatik entscheiden. Er erhielt dabei Unterstützung vom Verdi-Funktionär und linken Flügelmann Michael Schlecht, der sich pragmatisch gab: In der nächsten Legislaturperiode sei das ohnehin nicht durchsetzbar.

Viele in der Partei schwelende Konflikte wurden nicht ausgetragen. Die Reformer nahmen sich ebenso wie Teile der Parteilinken zurück. Wenn ein Flügel knapp über den anderen siege, dann würden am Ende alle verlieren, hatte Bundestagsfraktionschef Gregor Gysi am Vorabend eindringlich gemahnt. Auch über ein im Vorfeld umstrittenes Thema – die Höhe des Mindestlohnes – wurde am Sonntag nicht mehr diskutiert. Die Parteilinken akzeptierten die Forderung, einen gesetzlichen Stundenlohn von zehn Euro erst im Laufe der Wahlperiode einzuführen. Dafür hatten vor allem die ostdeutschen Landesverbände geworben – Brandenburgs Fraktionschefin Kerstin Kaiser wies darauf hin, dass in ihrem Bundesland jeder vierte weniger als 7,50 Euro pro Stunde verdiene. Brandenburg habe mit Luxemburg, auf das Lafontaine verweise, und seinen 9,49 Euro nur die Endung im Namen gemein. „Unsere Versprechen müssen nicht nur richtig, sondern auch realistisch sein“, mahnte sie.

Viele der im Vorfeld heiß diskutierten Fragen führten auf dem Parteitag nicht mehr zu langen Debatten – etwa die Forderung nach einer 35-Stunden-Woche (auch 30 Stunden waren im Vorfeld im Gespräch) oder nach einer Korrektur der Rente mit 67 (einige Genossen wollten das Renteneintrittsalter auf 60 herabsetzen). Wie gut es die Partei meint, können die Wahlkämpfer nun mit anderen ins Programm gestimmten Forderungen belegen – seit diesem Wochenende ist die Linke gegen Hormone im Tierfutter sowie für den völkerrechtlich bindenden Schutz von Arktis, Antarktis und Regenwäldern.

Hinter den Kulissen wurde dagegen die Einigung zur Außenpolitik erzielt. Antragsteller und Parteivorstand einigten sich auf die vieldeutige Formulierung, wonach die Nato einerseits aufgelöst werden soll, andererseits durch ein kollektives Sicherheitssystem unter Beteiligung Russlands ersetzt werden müsse. Dutzende Anträge zu diesem Thema wurden im Plenum gar nicht mehr behandelt, nachdem Wortführer aller Richtungen die Brauchbarkeit des Kompromisses betont hatten. „Lasst uns nicht verstreiten an diesem Punkt“ rief die Wortführerin der Kommunistischen Plattform, Sahra Wagenknecht – und stellte damit auch ihre Freunde vom linken Flügel ins Abseits, die gerne die Grundsatzdiskussion über Krieg und Frieden geführt hätten.

Die Spitzen waren am Sonntagnachmittag erkennbar erleichtert. Der Thüringer Ramelow sagte: „Die Zerlegung der Partei ist ausgefallen.“ Und Parteichef Lothar Bisky meinte, die Linke habe alle enttäuscht, „die heute eine Fleischerei erwartet haben“. In Anspielung auf regelmäßige Flügelkämpfe in der Linken sagte er: „Und schon gar nicht haben wir heute Abend Geflügelragout.“

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