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Sahra Wagenknecht

© Mike Wolff

Die Linke: Rolle rückwärts, Rolle aufwärts

Sahra Wagenknecht ist neue Linken-Vize. Nicht nur Oskar Lafontaine kann sich noch mehr mit ihr vorstellen.

Von Matthias Meisner

Berlin - Auch nach der Wahl von Gesine Lötzsch und Klaus Ernst an die Parteispitze diskutiert die Linke munter über personelle Alternativen. „Sie müssen ja erst in die Führung hineinwachsen, und daran bin ich doch interessiert“, sagte Fraktionschef Gregor Gysi der Zeitung „Das Parlament“ über die beiden neuen Vorsitzenden. Doch während Gysi selbst darauf setzt, dass beide neuen Chefs ihre Sache gut machen, in zwei Jahren wieder kandidieren und in Führungsrolle über die nächste Bundestagswahl 2013 bringen, hat der Ex-Vorsitzende Oskar Lafontaine auch Alternativen im Blick. Er – und mit ihm auch andere westdeutsche Genossen – kann sich wohl vorstellen, dass Sahra Wagenknecht, auf dem Parteitag Mitte Mai zur stellvertretenden Vorsitzenden gewählt, perspektivisch noch weiter aufsteigt. Diskutiert wird dabei sowohl um den Parteivorsitz als auch über die Rolle der Ko-Fraktionschefin neben Gysi.

Nach dem Rostocker Bundesparteitag veröffentlichte die Nachrichtenagentur ddp ein längeres Interview mit Lafontaine. Auf die Frage „Hätte Sahra Wagenknecht langfristig das Zeug zur Parteivorsitzenden?“ antwortete der Ex-Parteichef nicht mit einem Hinweis auf die eben erst gewählten Vorsitzenden. Stattdessen sagte er: „Drei der vier stellvertretenden Vorsitzenden haben eine ähnliche Zustimmung wie Klaus Ernst erreicht. Man muss jetzt abwarten, wie sie sich entwickeln.“ Aufstiegschancen gibt Lafontaine demnach seinem Vertrauten Heinz Bierbaum aus dem Saarland, Wagenknecht und Katja Kipping aus Sachsen – nur die zum Reformerflügel gehörende Vizechefin Halina Wawzyniak aus Berlin hatte bei den Wahlen der Vizechefs schlecht abgeschnitten. Wagenknecht, langjährige Wortführerin der Kommunistischen Plattform, selbst gibt sich zur Frage nach ihren Ambitionen auf den Parteivorsitz wortkarg: „Warum soll ich eine Frage beantworten, die sich gegenwärtig nicht stellt?“, sagte sie Anfang 2009. Nun ist sie immerhin Parteivize, was in der PDS noch als undenkbar galt.

Die Gewichte in der Linken haben sich verschoben. Vor einem Jahr waren meist der damalige Bundesgeschäftsführer Dietmar Bartsch und der Thüringer Linke Bodo Ramelow genannt worden, wenn es um die Vorsitzendenposten ging. Inzwischen rühren für beide nur wenige die Werbetrommel. Vor dem Rostocker Parteitag sagte der Fraktionschef von Mecklenburg-Vorpommern, Helmut Holter, er halte Bartsch durchaus für befähigt, Parteichef zu werden. Ramelow musste sich sogar selbst empfehlen: „Ich warte auf den richtigen Zeitpunkt“, sagte er.

Sollten Ernst und Lötzsch absehbar Parteichefs bleiben, gäbe es für Wagenknecht noch die Option Fraktionsvorsitz. Vergangene Woche einigten sich die 76 Abgeordneten, dass 2011 eine Frau aus dem Westen an Gysis Seite gestellt werden soll. Gysi selbst machte den Vorschlag, dass es dabei nicht auf die Herkunft ankommt, sondern nur auf das Mandat. Wagenknecht ist die einzige ostdeutsche Linken-Abgeordnete, die über eine Bewerbung im Westen – auf der NRW-Liste – in den Bundestag kam. Gysi selbst kann immer besser mit ihr – und eine gute Zusammenarbeit ist für ihn Grundbedingung. In Rostock lobte er seine standfeste Genossin: „Sie war, ist und bleibt streitbar.“

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