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Politik: Die Logik der Kriegsherren

MILITÄRSTRATEGIEN

Von Christoph von Marschall

Als ein Journalist bei der Pressekonferenz im Pentagon fragte: „Der Plan ist jetzt also …“, unterbrach ihn Verteidigungsminister Rumsfeld mit dem ihm eigenen Charme: „Wenn Sie den Plan kennen, haben wir ein Problem.“ Eine Strategie, die allgemein bekannt ist, verliert ihren Wert, das Überraschungsmoment ist dahin. Das wäre eine Erklärung, warum der IrakKrieg ganz anders begonnen hat als vorhergesagt und das massive Bombardement mit 3000 Luftschlägen innerhalb der ersten 48 Stunden ausblieb. Die USA hätten demnach gezielt falsche Erwartungen geweckt.

Die andere Erklärung: Strategien kann man zwar planen, der Krieg aber hat eigene Gesetze. Auf jede Entwicklung muss man neu reagieren. Zum Beispiel auf die angeblich zuverlässige Geheimdienstinformation, dass sich Saddam Hussein in der Nacht zum Donnerstag in einem bestimmten Bunker aufgehalten haben soll – den Amerika daraufhin mit Lenkwaffen beschoss und so den Krieg auslöste, obwohl manches, wie die Sandstürme, für Abwarten gesprochen hätte. Und gelänge es, den Diktator zu töten, blieben Irakern wie Amerikanern blutige Kämpfe erspart.

Welche Erklärung stimmt oder ob noch eine andere zutrifft – wir können es heute nicht wissen. Verlässliche Informationen sind im Krieg besonders rar. Desinformation und Propaganda gehören zu den Waffen aller Seiten. Das gilt für Bilder, behauptete militärische Erfolge und Opferzahlen gleichermaßen. Den USA hilft alles, was den Eindruck eines relativ glatten, unblutigen Vormarsches befördert, erst recht Iraker, die US-Truppen als Befreier begrüßen. Saddam nützt, was nach einem schmutzigen Krieg aussieht: Bilder von zerbombten Krankenhäusern, toten Kindern, gefallenen GI’s. Das alles, das Schreckliche wie das Positive, werden wir in den nächsten Tagen zu sehen bekommen. Und was ist echt, was Propaganda? Alles, was man über die Entwicklung im Irak sagen kann, steht unter dem Vorbehalt: Es hat den Anschein, dass …

Bleiben wir zunächst beim Militärischen. Allem Anschein nach kommt die Bodenoffensive relativ rasch voran. Das immerhin bestätigen begleitende Journalisten. Schon bald könnten britisch-amerikanische Einheiten die Millionenstadt Basra einnehmen und noch am Wochenende US-Truppen vor Bagdad stehen.

Allem Anschein nach sollen die schweren Luftangriffe vom Freitagabend Saddams Soldaten in Furcht und Schock versetzen, nicht aber zu massiven Zerstörungen im ganzen Land führen. Das Bombardement galt in erster Linie Saddams Palästen, Militäranlagen und der Armeeführung in Bagdad. Die USA sind in einer Doppelrolle, sind Angreifer und Verteidiger zugleich. Als Angreifer wollen sie möglichst rasch viel Gebiet einnehmen und Iraks Militär ausschalten; dafür nutzen sie ihre überlegenen Waffen. Andererseits werden sie das eroberte Land bald verwalten und wollen nicht heute die Straßen, Telefonnetze, Gebäude zerstören, die sie morgen brauchen. Präsident Bush hat kein Interesse an brennenden Ölfeldern, Diktator Saddam schon. Amerika möchte der Bevölkerung als Befreier entgegentreten, nicht als Berserker. Und gibt die Hoffnung nicht auf, dass das Militär Saddam davonläuft oder putscht.

Erst wenn der Kampf um die Einnahme Bagdads bevorsteht, könnte sich das Kalkül ändern. Wenn sich der rasche Vormarsch auf die Hauptstadt fortsetzt, dann liegt das nicht allein an Bushs, sondern auch an Saddam Husseins Strategie. Allem Anschein nach hat er sich entschlossen, keinen größeren Widerstand im Süden zu leisten – vielleicht aus schlechter Erinnerung, wie es seinen Truppen im Wüstenkrieg 1991 erging. Allem Anschein nach hat er seine Kräfte auf einen Verteidigungsring um die Hauptstadt zurückgezogen. Militärisch kann er auch dort nicht gewinnen – sofern Amerika entschlossen bleibt.

Vielleicht aber hofft er auf einen politischen Sieg: den ohnehin gespaltenen Westen durch Bilder vom schmutzigen Krieg in noch größere Skrupel und Zweifel zu stürzen. Wenn die Warnungen vor blutigen Häuserkämpfen lauter werden, die Bilder gefallener GIs Somalia-Erinnerungen heraufbeschwören und Saddam weltweite Terroranschläge androht, dann wird das zwar Bush nicht stoppen. Aber viele in Europa erst recht gegen diesen Krieg aufbringen. So könnte Saddam selbst im Untergang den Westen noch einmal auf die Probe stellen.

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