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Effizientes Regieren? Ein Wärmebild des Bundeskanzleramts. Foto: dpa

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Politik: Die Marktwächter erheben Einspruch

Bundeswirtschaftsministerium hat erhebliche Bedenken bei der EU-Richtlinie zur Energieeffizienz – sie geht den Ökonomen zu weit

Berlin - Das Bundeswirtschaftsministerium lehnt die geplante Richtlinie der EU- Kommission zur Energieeffizienz in allen relevanten Teilen ab. In der im Kabinett noch nicht abgestimmten Stellungnahme zum Richtlinienentwurf, den EU-Energiekommissar Günther Oettinger Ende Juni vorgelegt hatte, verlangt das Wirtschaftsministerium, alle konkreten Vorschläge in freiwillige Anregungen umzukehren.

Im Gegensatz zu den anderen Klimaschutzzielen der EU ist die Vorgabe, bis 2020 innerhalb der Europäischen Union 20 Prozent weniger Energie zu verbrauchen, nicht verbindlich. Der Versuch, das Ziel zur Pflicht zu machen, scheiterte im Februar im Europäischen Rat. Dennoch wollte Oettinger in seiner Effizienz-Richtlinie zumindest einen klaren Bezug zum Ziel herstellen. Das Wirtschaftsministerium verlangt jedoch, diesen Bezug zu streichen und stattdessen das Ziel auf eine Erhöhung der Energieeffizienz um 20 Prozent zu entschärfen. Damit bezöge sich die Effizienz nur noch auf den Energieeinsatz bezogen auf die Wirtschaftsleistung; es gäbe kein absolutes Einsparziel.

Auch den Hinweis auf Abgasnormen für Kohlendioxid für Fahrzeuge will das Ministerium gestrichen wissen. „Eine verbindliche Sanierungsrate von drei Prozent jährlich für öffentliche Gebäude ist aus unserer Sicht nicht realistisch und nicht akzeptabel“, heißt es in der Stellungnahme, die dem Tagesspiegel vorliegt. Bund, Länder und Kommunen müssten dann nämlich ihr Sanierungstempo für öffentliche Bauten mehr als verdoppeln. Das führe zu „erheblichen finanziellen Belastungen für öffentliche Haushalte in einer Zeit, in der fiskalische Konsolidierung dringend geboten ist“, argumentiert das Wirtschaftsministerium.

Auch das Kernstück des Richtlinienvorschlags, eine Verpflichtung für Energieanbieter, jedes Jahr 1,5 Prozent weniger Strom oder Wärme zu verkaufen als im Vorjahr, lehnt das Ministerium ab. Obwohl die Kommission, um Berliner Bedenken entgegenzukommen, bereits „alternative“ Möglichkeiten als Ersatz mit in die Richtlinie aufgenommen hat, lehnt das Ministerium den gesamten Artikel ab. Würde sich das Wirtschaftsministerium in Brüssel durchsetzen, hätte die EU-Energierichtlinie keinen erkennbaren Effekt mehr.

Die ablehnende Stellungnahme des Wirtschaftsministeriums steht im Gegensatz zur eher bescheidenen Bilanz der deutschen Effizienzpolitik. Dabei wären hier Erfolge dringend geboten. Denn 2010 ist mit der sich erholenden Weltwirtschaft auch der Ausstoß von Treibhausgasen auf einen neuen Höchststand gestiegen. Mit 31 Milliarden Tonnen CO2 erhöhte sich der weltweite Treibhausgasausstoß nach einer ersten Schätzung des Berliner Energieexperten Hans-Joachim Ziesing um rund 5,5 Prozent. Ziesing veröffentlicht eine fortlaufende Abschätzung des weltweiten Treibhausgasausstoßes. Nach seinen Berechnungen wuchs der CO2-Ausstoß der Industrieländer um drei Prozent und der von Schwellen- und Entwicklungsländern um acht Prozent im Vergleich zum wirtschaftlichen Krisenjahr 2009, als der CO2-Ausstoß erstmals seit 1992 gesunken war. China hat sich 2010 mit einem Kohlendioxidausstoß von 7,6 Milliarden Tonnen endgültig an der Spitze der Emittenten etabliert. Es folgen die USA mit 5,7 Milliarden Tonnen. Beim Pro-Kopf-Ausstoß liegen die USA mit 18,5 Tonnen pro Jahr dennoch weiterhin vor China mit 5,6 Tonnen.

Die Europäische Union ist trotz eines leichten Anstiegs der CO2-Emissionen 2010 weiterhin im Plan, um die im Kyoto-Protokoll vereinbarten Zielvorgaben zu erreichen. Allerdings verdankt sich diese Vertragstreue vor allem dem Zusammenbruch der osteuropäischen Ökonomien nach dem Ende des Kalten Krieges und den Klimaschutzerfolgen von Deutschland, Großbritannien und Schweden. Dagegen sind Spanien, Griechenland, Portugal, Italien und Irland trotz der Wirtschaftskrise und 2010 teilweise gesunkener Treibhausgasemissionen weit vom Ziel entfernt. Das gilt auch für Luxemburg, mit einem Pro-Kopf-Ausstoß von 23 Tonnen im Jahr Schlusslicht in der EU, und auch Österreich und Finnland.

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